1 Versicherungsrecht
1.1 Betriebsschließungsversicherung in der COVID-19-Pandemie (BGH, Urt. v. 18.1.2023 – IV ZR 465/21)
Der u.a. für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat des BGH hat mit Urt. v. 18.1.2023 (IV ZR 465/21) entschieden, dass einer Versicherungsnehmerin auf der Grundlage der vereinbarten Versicherungsbedingungen Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung wegen der teilweisen Einstellung ihres Hotelbetriebs in Niedersachsen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie während des sog. zweiten Lockdowns zustehen, nicht jedoch für die Betriebsschließung während des sog. ersten Lockdowns. Im entschiedenen Fall nahmen die Versicherungsbedingungen auf die in den §§ 6 und 7 IfSG genannten Krankenheiten und Krankheitserreger Bezug, zu denen zum Zeitpunkt des zweiten Lockdowns auch COVID-19 und der Erreger SARS-CoV-2 gehörten. Die Bezugnahme in den Versicherungsbedingungen auf das IfSG erfolgte ohne Angabe einer bestimmten Gesetzesfassung oder eines Zeitpunkts für die Ermittlung der maßgeblichen Fassung des IfSG, so dass unklar blieb, ob insoweit auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls abzustellen ist. Nach der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB sei daher auf den für die Versicherungsnehmerin günstigeren Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls abzustellen.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 012/2023 v. 18.1.2023
2 Zivilprozessrecht
2.1 Eckpunkte für die Stärkung der Justiz in Wirtschaftsstreitigkeiten
Das BMJ hat am 16.1.2023 ein Eckpunktepapier zur Stärkung der Gerichte in Wirtschaftsstreitigkeiten und zur Einführung von Commercial Courts veröffentlicht. Den Ländern soll es ermöglicht werden, bei ausgewählten Oberlandesgerichten Wirtschaftssenate einzurichten, die erstinstanzlich zuständig sein sollen, wenn sich die Parteien auf diesen Gerichtsstand verständigen. Die Senate sollen so ausgestattet werden, dass sie die Verfahren zügig und auf Wunsch der Parteien auch auf Englisch und mit Wortprotokoll durchführen. Gegen Entscheidungen der Commercial Courts soll die Revision zum BGH eröffnet sein. Das Eckpunktepapier kann über die Homepage des BMJ abgerufen werden.
Quelle: Pressemitteilung des BMJ v. 16.1.2023 (bmj.de)
3 Familienrecht
3.1 Abschaffung des Güterrechtsregisters
Das seit dem 1.1.1900 in Deutschland bestehende Güterrechtsregister ist zum 1.1.2023 abgeschafft und die entsprechenden Vorschriften im BGB aufgehoben worden. Die Einzelheiten können dem Gesetz zur Abschaffung des Güterrechtsregisters und zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes v. 31.10.2022 (BGBl I S. 1966) entnommen werden. Die Abschaffung des Registers soll dem Bürokratieabbau dienen. Schutzlücken für den Rechtsverkehr sollen nicht entstehen. Die Regelungen zur Wirkung von Eheverträgen (§ 1412 BGB) wurden nach dem Vorbild der EU-Güterrechtsverordnungen angepasst. Für Altfälle gilt insoweit ein Übergangsregelung von fünf Jahren. 15 Jahre nach Abschaffung des Güterrechtsregisters können die Länder die alten Register aussondern und die Archivierung der seit dem Jahr 1990 aufgebauten Aktenbestände einsparen.
Quelle: Pressemitteilung des BMJ v. 30.12.2022 (bmj.de)
4 Vormundschafts- und Betreuungsrecht
4.1 Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts
Am 1.1.2023 ist das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts v. 4.5.2021 in Kraft getreten (BGBl I S. 882). Durch das Gesetz sollen diese Rechtsbereiche umfassend modernisiert werden. Das neue Betreuungsrecht soll die Selbstbestimmung unterstützungsbedürftiger Menschen stärken und damit den Vorgaben von Art. 12 der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung tragen. Zudem soll die Qualität der beruflichen Betreuung gesichert und verbessert werden. Schließlich wird in § 1358 BGB ein Notvertretungsrecht für Ehegatten eingeführt, das eingreift, wenn ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht mehr besorgen kann. Es bezieht sich insbesondere auf die Einwilligung in ärztliche Eingriffe und den Abschluss von Behandlungsverträgen. Das Notvertretungsrecht ist zeitlich auf 6 Monate begrenzt und ist nachrranig zu einer bestehenden Betreuung oder Vorsorgevollmacht.
Quelle: Pressemitteilung des BMJ v. 29.12.2022 (bmj.de)
Autor: Karsten Funke
Karsten Funke, Richter am Landgericht, München
zfs 2/2023, S. 62