Wird ein Elektrokleinstfahrzeug, konkret ein E-Scooter, in einen Verkehrsunfall verwickelt oder wird durch diesen ein Schaden verursacht und ergibt die Prüfung der technischen Spezifikationen, dass dieser E-Scooter eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von Haus aus oder nach technischem Eingriff von mehr als 20 km/h aufweist, kann die Privilegierung aus § 8 Nr. 1 StVG nicht mehr greifen. Der Halter und der Fahrer des E-Scooters haften demnach auch verschuldensunabhängig.
Eine wie auch immer geartete Form der analogen Anwendung des § 8 Nr. 1 StVG kommt nicht in Betracht. Dies scheitert bereits an der Planwidrigkeit einer etwaigen Regelungslücke. Schon für die Frage, ob für E-Scooter i.S.d. eKFV eine analoge Anwendung des § 7 StVG möglich wäre, hat die Rechtsprechung klare Grenzen gezogen. Denn dem Gesetzgeber waren die mit dem Betrieb von E-Scootern einhergehenden besonderen Gefahren und deren Auswirkungen in Praxis bewusst. Dennoch hat er es – anders als etwa im Bereich des autonomen Fahrens – nicht für erforderlich erachtet, von der Regelung des § 8 Nr. 1 StVG zugrunde liegenden Gedankens einer geringeren Betriebsgefahr bei langsamen Kraftfahrzeugen für den Fall von Elektrokleinstfahrzeugen abzuweichen. Die Reglung in § 8 Nr. 1 StVG wurde durch den Gesetzgeber durch das Gesetz zur Haftung bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen im Straßenverkehr vom 10.7.2020 (BGBl I S. 1653) sowie das Gesetz zum autonomen Fahren vom 12.7.2021 (BGBl I S. 3108) geändert, wohingegen die eKFV bereits am 6.6.2019 (BGBl I S. 756) erlassen worden und am 15.6.2019 in Kraft getreten ist. Die Frage, ob der Gedanke der Haftungsprivilegierung insgesamt überholt ist oder nicht, obliegt dagegen der Beurteilung durch den Gesetzgeber und nicht der Gerichte. Erst recht kann demnach nicht die Privilegierung für manipulierte oder technisch schnellere E-Scooter durch eine analoge Rechtsanwendung herbeigeführt werden, wenn die klare Grenze unabhängig von der eKFV bei 20 km/h festgelegt wurde.
Die damit eintretende Halterhaftung führt im Hinblick auf abgestellte (manipulierte) E-Scooter zu weiteren Problemen: Während oben erwähnt wurde, dass es gerade keinen Anscheinsbeweis für den Rückschluss aus einem umgefallenen E-Scooter auf ein unsachgemäßes Abstellen gibt, könnte dies in den Fällen, in denen die Halterhaftung doch greift, zutreffen: Denn dies ist auch hinsichtlich ordnungsgemäß abgestellter Motorräder bekannt: das Abstellen verlängert grundsätzlich die Betriebsgefahr i.S.d. § 7 StVG, mglw. dann eben auch beim Umfallen aus ungeklärten Umständen.
Versicherungsrechtlich ist noch auf §§ 23 ff. VVG hinzuweisen. Werden Veränderungen am E-Scooter vorgenommen, die zu einer Gefahrerhöhung führen – was bei einer Steigerung der Geschwindigkeit und dem Wegfall der Privilegierungen der eKFV unzweifelhaft der Fall ist –, so hat der Versicherungsnehmer die entsprechenden Konsequenzen für seinen Versicherungsvertrag hinzunehmen. Denn zum einen besteht ein Kündigungsrecht für den Versicherer, § 24 VVG, zum anderen ein Recht auf Prämienerhöhung, § 25 VVG, aber noch viel drastischer die Leistungsfreiheit nach § 26 VVG bei vorsätzlicher Gefahrerhöhung und nachfolgendem Unfall, sprich Versicherungsfall.
Des Weiteren besteht bei einem getunten E-Scooter, der wie unten noch aufgezeigt wird nicht zulassungsfähig wäre, kein Kontrahierungszwang des Haftpflichtversicherers.