StVG § 2 Abs. 4 § 3 Abs. 1 S. 1; FeV § 46 Abs. 1 S. 1 § 11; FeV Anlagen 4 4a 5; Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung Nr. 2.1 Nr. 2.5
Leitsatz
1. Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist nur, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt. Dem Begriff der körperlich-geistigen Eignung sowie den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, die nach § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a zur FeV Grundlage für die Eignungsbeurteilung sind, lässt sich entnehmen, dass eine ausreichende psychische Leistungsfähigkeit grundlegende Voraussetzung für das sichere Führen eines Kfz ist. Überprüft wird die psychische Leistungsfähigkeit nach den Begutachtungsleitlinien regelmäßig im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung mit Hilfe objektivierbarer psychologischer Testverfahren.
2. Hat der Betroffene ein von ihm rechtswidrig gefordertes und dann für ihn negativ ausgefallenes Gutachten dennoch vorgelegt, kann er nicht einwenden, die Behörde habe ihre Erkenntnisse rechtswidrig erlangt. Das Ergebnis des Gutachtens schafft eine neue Tatsache, die selbstständige Bedeutung hat. Ein Verwertungsverbot für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung lässt sich hierbei weder aus der FeV noch aus sonstigem innerstaatlichen Recht ableiten. Es steht auch das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben.
3. Die zugelassenen computer-basierten Testverfahren sind grundsätzlich auch bei älteren Kraftfahrern zur Prüfung der psychischen Leistungsfähigkeit geeignet.
4. Die verkehrspsychologische Fahrverhaltensbeobachtung stellt eine Sonderform eines psychologischen Testverfahrens dar, bei dem zur Diagnostik der psychischen Leistungsfähigkeit die Beobachtung des konkreten Fahrverhaltens herangezogen wird. Zugrunde liegt dem der Ansatz, dass Fahrerfahrung und praktische Übung gewisse Mängel ausgleichen können (vgl. Beurteilungskriterien, S. 398). Dementsprechend handelt es sich um eine Eignungs-, keine Befähigungsprüfung, und es muss ein Bezug zwischen den beobachteten Verhaltensweisen und den festgestellten Leistungsdefiziten hergestellt werden (vgl. Kriterium PTV 6 Nr. 2 der Beurteilungskriterien).
5. Aus Gründen des Schutzes der Beteiligten an der Beobachtungsfahrt sowie zum Schutz sonstiger Verkehrsteilnehmer kann die Fahrverhaltensbeobachtung abgebrochen werden, nachdem zur Vermeidung eines Unfalls eingegriffen werden musste. Mit Blick auf die Mitwirkungspflichten des Fahrerlaubnisinhabers bei der Eignungsüberprüfung sowie nach dem Rechtsgedanken des § 11 Abs. 8 FeV geht es dann zu seinen Lasten, dass er die aus dem Ergebnis der computergestützten Leistungstests folgende Vermutung mangelnder Leistungsfähigkeit nicht entkräften konnte. (Leitsätze der Schriftleitung)
BayVGH, Beschl. v. 11.12.2023 – 11 CS 23.1577
1 Sachverhalt
Der 1942 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen 1, 3 und 4 (alt).
Mit Bescheid vom 29.6.2023 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis sämtlicher Klassen und verfügte, dass der bereits vorgelegte Führerschein einbehalte bleibe. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung des Bescheids an. Zur Begründung verwies es auf die vorgelegten Gutachten. Hiergegen ließ der Antragsteller Widerspruch erheben, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist.
Am 5.7.2023 stellte er einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, den das VG Augsburg mit Beschl. v. 23.8.2023 – Au 7 S 23.1037 ablehnte. Nach den Ergebnissen der Leistungstestung, die unabhängig von der Rechtmäßigkeit ihrer Einholung verwertbar sei, bestehe bei dem Antragsteller keine Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppen 1 und 2. Die Möglichkeit, im Rahmen der Verkehrsbeobachtung aufzuzeigen, dass er diese Mängel kompensieren könne, habe der Antragsteller nicht genutzt. Die dagegen erhobenen Einwände seien unberechtigt. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der der Antragsgegner entgegentritt.
2 Aus den Gründen:
"… II.Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg … ."
1. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt entgegen der Auffassung des Antragstellers den Vorgaben des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Diese Bestimmung normiert lediglich eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, so dass es auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung des Sofortvollzugs nicht ankommt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 26.2.2021 – 11 CS 20.2979 – juris Rn 23; Beschl.v. 16.10.2019 – 11 CS 19.1434 – juris Rn 20). Insoweit ist das VG der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung gefolgt, wonach an den Inhalt der schriftlichen Begründung der Vollzugsanordnung keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind und bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist. Bei dieser häufig wiederkehrenden Sachver...