“ … 1. Bei Geldbußen von nicht mehr als 250 EUR wird die Rechtsbeschwerde nach §§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, 80 Abs. 1 OWiG nur zugelassen, wenn es geboten ist,
- die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. zu ermöglichen oder
- das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.
Keine dieser Voraussetzungen liegt vor:
a) Der Fall wirft keine ungeklärten Rechtsfragen auf. Dass ein Verkehrsverstoß im Einzelfall durch einen Notstand, § 16 OWiG, gerechtfertigt sein kann, wenn der oder die Betroffene ihn begangen hat, um einem plötzlich aufgetretenen und "unabweisbaren" Stuhldrang (Durchfall) nachzukommen, ist allgemein anerkannt (OLG Zweibrücken NStZ-RR 1997, 379 [= zfs 1997, 196]; KG, 2 Ss 263/98 vom 26.10.1998 <Juris>; Zabel, Blutalkohol 36 [1999], 22; Rengier, in: KK-OWiG, 3. Aufl. [2006], § 16 Rn 5 a.E.; Göhler, OWiG, 14. Aufl. [2006], § 16 Rn 4).
b) Die Behandlung der Sache bietet auch keinen Anlass, zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. einzugreifen. Die Amtsrichterin hat den Notstand erörtert und ihn nicht aus rechtlichen, sondern aus tatsächlichen Gründen verneint. Ob sie das tragfähig damit begründet hat, die Betroffene hätte auf dem Seitenstreifen anhalten und dort ihre Notdurft verrichten können, ist fraglich, denn sie hat nicht festgestellt, dass die B-Straße in dem Abschnitt, in dem der plötzliche Stuhldrang aufgetreten sein soll, einen Seitenstreifen (unmittelbar neben der Fahrbahn liegender Teil der Straße, VwV-StVO zu § 2 Abs. 4 S. 4) hat, der für diesen Zweck geeignet war. Eher dürfte der zweite im Urteil angesprochene Gesichtspunkt zutreffen, dass der Verkehrsverstoß nicht geeignet war, die drohende Gefahr abzuwehren, weil die nächste Ausfahrt – der wiederholten Verwendung dieses Begriffs entnimmt der Senat, dass die B-Straße eine autobahnähnliche Kraftfahrstraße ist – so nah lag, dass die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit keinen nennenswerten Zeitgewinn erbracht hat (vgl. Senat VRS 88 [1995], 454; OLG Hamm 1 Ss OWi 824/01 vom 30.10.2001 <Juris>; Rengier, a.a.O., Rn 17 m.w.N.). Beides ist jedenfalls eine Frage der Feststellungen im Einzelfall und damit kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
cc) Zwar ist rechtsfehlerhaft, dass die Amtsrichterin "Voreintragungen" zum Nachteil der Betroffenen berücksichtigt hat, ohne diese im Urteil festzustellen; von Fotos und sonstigen Abbildungen (§ 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO) abgesehen sind Bezugnahmen auf den Akteninhalt unzulässig (vgl. Senat VRS 91 [1996], 152 = DAR 1996, 65; Mitsch, in: KK-OWiG, § 17 Rn 78; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., § 17 Rn 22; Göhler, a.a.O., § 17 Rn 20 f.; jeweils m.w.N.). Das ist aber nur ein Fehler im Einzelfall und kein Zulassungsgrund.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.
3. Die Sache gibt Anlass zu dem Hinweis, dass die Urteilsgründe auch in Bußgeldsachen gem. § 267 Abs. 1 S. 1 StPO die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben müssen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Tat gefunden werden. Das gilt nicht nur für die äußere, sondern auch für die innere Tatseite. Wird der Betroffene verurteilt, weil er die zulässige Geschwindigkeit überschritten habe, müssen die Feststellungen belegen, dass er vorwerfbar schneller als erlaubt gefahren ist. Das mag sich aufdrängen, wenn sich aus dem Urteil ergibt, dass die Tat an einem Ort oder mit einem Fahrzeug begangen worden ist, an dem oder bei dem die festgestellte Geschwindigkeit eine Höchstgeschwindigkeit überstieg, die durch Gesetz, etwa durch § 3 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 StVO oder durch § 18 Abs. 5 S. 2 StVO, festgelegt ist. Auf autobahnähnlichen Kraftfahrstraßen gilt für Personenkraftwagen keine gesetzliche Beschränkung der Geschwindigkeit, §§ 3 Abs. 3 S. 2, 18 Abs. 5 S. 2 StVO. Die "zulässige Höchstgeschwindigkeit" kann demnach nur durch Verkehrszeichen (Zeichen 274, § 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO) auf 80 km/h beschränkt gewesen sein. Gerade mit Blick auf die innere Tatseite sind in einem solchen Fall konkrete Feststellungen zur Beschilderung im Messbereich geboten. Das gilt nicht erst bei Vorsatz, sondern regelmäßig schon für den Vorwurf der Fahrlässigkeit. … .“
Mitgeteilt von VRiOLG Claudia Neuhaus, Düsseldorf