Die Ersatzfähigkeit psychischer Schäden setzt grundsätzlich eine eigene Beteiligung an dem Unfall voraus. Hiervon gibt es allerdings eine Ausnahme:
Eine besondere Fallgruppe sind die als sog. "Schockschäden" bezeichneten tragischen Fälle, in denen ein Familienangehöriger – typischerweise die Eltern – zwar nicht selbst beim Unfallgeschehen anwesend war, danach aber vom Tode eines nahen Angehörigen erfährt (sog. Fernwirkungsschaden) oder schwere, lebensbedrohliche Verletzungen von Angehörigen oder sogar deren Unfalltod miterlebt.
Keinerlei Ansprüche haben insoweit – auch bei Nachweis unfallkausaler psychischer Schäden – bloße Zeugen eines Unfalles ohne eigene enge persönliche Bindung zum Unfallopfer – unabhängig davon, ob sie reine Zufallszeugen sind oder beruflich mit Unfällen zu tun haben (wie z.B. Polizisten, Feuerwehrleute, Notärzte, Sanitäter, … ). Hier geht es grundsätzlich nur um das allgemeine Lebensrisiko bzw. das gesteigerte Berufsrisiko, so dass der Schutzzweck der Norm nicht erfüllt ist.
Bei Familienangehörigen kommt eine Haftung des Unfallverursachers nur dann in Betracht, wenn die Familienangehörigen psychische Beschwerden erleiden, die eigenen Krankheitswert besitzen und psychopathologische Ausfälle von einiger Dauer vorliegen.
So hart dies auch klingen mag, so sind die "normale" Trauer und seelische Erschütterung, die tiefe seelische Verstimmung, die nahe stehende Personen bei der Nachricht vom Tode eines Menschen "erfahrungsgemäß" im Regelfall erleiden, ohne dass es zu den vorerwähnten gravierenden psychopathologischen Ausfällen kommt, zwar unfallkausal, aber dem Unfallverursacher nicht zurechenbar, sondern fallen unter das allgemeine Lebensrisiko. Von einer billigen Entschädigung ausgeschlossen sind die primären Beeinträchtigungen wie Trauer, Depression, Unlust, Antriebsschwäche und dergleichen, denen keine unmittelbare Verletzungshandlung des Schädigers gegen den Betroffenen zugrunde liegt und die somit keine pathologisch nachweisbaren Ursachen haben. Nur wenn diese mentalen Probleme die Form einer verifizierbaren Erkrankung annehmen, ist das Tatbestandsmerkmal der Gesundheitsverletzung gegeben. Für das Vorliegen derartiger Beschwerden und die Unfallkausalität gilt der Strengbeweis gem. § 286 ZPO.
Kann dieser geführt werden, kommen alle Schadensersatzansprüche – sowohl eigenes Schmerzensgeld als auch materielle Ansprüche auf Ersatz von Heilbehandlungskosten, Verdienstausfall, vermehrten Bedürfnissen etc. – in Betracht.
Nach der Entscheidung des Gesetzgebers für eine enge Begrenzung des Ersatzes mittelbarer Schäden werden die üblichen Trauerreaktionen nicht zum Schutzzweck der Norm gerechnet. Ersatzfähigkeit eines psychischen Schadens ohne eigenes Miterleben des Unfalles ist deshalb eine Ausnahme vom Grundsatz, dass mittelbare Schäden nicht ersatzpflichtig sind und es nach deutschem Recht auch kein Angehörigenschmerzensgeld gibt.
Die Rechtsprechung konstruiert diese Ansprüche der Angehörigen deshalb auch als unmittelbaren Gesundheitsschaden des Angehörigen, für den der Unfall "Fernwirkung" hat bzw. den Schockschaden "psychisch vermittelt".
Auf Grund des Ausnahmecharakters ist diese Fallgruppe eng auszulegen:
- nur Familienangehörige und nicht sonstige mit dem Unfall konfrontierte Personen können Ansprüche haben
- bei Familienangehörigen muss entweder ein persönliches Miterleben der Unfallsituation mit der Folge einer lebensbedrohlichen Verletzung oder des Unfalltodes des Angehörigen vorliegen oder sie müssen einen Schock bei der Übermittlung der Todesnachricht erleiden
- auch wenn alle diese Voraussetzungen vorliegen, sind nur die Folgen etwaiger außergewöhnlicher psychischen Beschwerden zu ersetzen, die über die übliche Trauerreaktion beim Tode eines Angehörigen nachweislich hinausgehen