Nr. 1008, 3100 VV RVG
Wird ein Rechtsanwalt für eine im Wege des Direktanspruchs mitverklagte Partei und zugleich für diese als Streithelferin einer anderen Partei tätig, steht ihm keine erhöhte Gebühr nach Nr. 1008 RVG-VV zu.
BGH, Beschl. v. 19.1.2010 – VI ZB 36/08
Mit ihrer beim LG Darmstadt erhobenen Klage hatte die Klägerin gegen die Beklagten zu 1 und 2 als Fahrer bzw. Halter sowie gegen die Beklagte zu 3 als Haftpflichtversicherer Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht. Die Beklagte zu 3 war dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten zu 1 und 2 als Streithelferin beigetreten, weil wegen des Einwands einer Unfallmanipulation eine Interessenkollision nicht auszuschließen war. Die durch einen eigenen Prozessbevollmächtigten vertretenen Beklagten zu 1 und 2 hatten die Abweisung der Klage beantragt. Die Beklagten zu 3 hatte in ihrer Eigenschaft als Streithelferin der Beklagten zu 1 und 2 durch ihren Prozessbevollmächtigten ebenfalls Klageabweisung beantragt. Das LG Darmstadt hat die Klage abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention auferlegt. Die Beklagte zu 3 hat im Kostenfestsetzungsverfahren im Hinblick auf ihre Nebenintervention eine 0,6 Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG geltend gemacht, deren Festsetzung der Rechtspfleger des LG abgelehnt hat. Die sofortige Beschwerde und die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 3 gegen diese Absetzung hatten keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
“… II. Das OLG hat zu Recht die Voraussetzungen für die Zubilligung einer erhöhten Gebühr verneint.
[5] 1. Zwar gilt im Haftpflichtprozess nach einem Verkehrsunfall im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer § 7 Abs. 2 Nr. 5 AKB. Danach hat der Versicherungsnehmer im Falle eines Rechtsstreits dessen Führung dem Versicherer zu überlassen und dem Rechtsanwalt, den der Versicherer bestellt, Vollmacht zu erteilen (vgl. Senatsbeschl. v. 20.1.2004 – VI ZB 76/03 – zfs 2004, 379 = AGS 2004, 188 = RVGreport 2004, 188 = VersR 2004, 622, 623). Wird gem. dieser Bestimmung im Haftpflichtprozess gegen den Versicherungsnehmer und den Haftpflichtversicherer ein einheitlicher Prozessbevollmächtigter bestellt, wird dieser für mehrere Personen i.S.d. Nr. 1008 RVG-VV tätig.
[6] 2. Im vorliegenden Fall liegt jedoch eine andere Situation vor. Hier ist der Prozessbevollmächtigte für die Beklagte zu 3) als im Wege des Direktanspruchs mitverklagte Partei und zugleich für die Beklagte zu 3) als Streithelferin der Beklagten zu 1) und 2) tätig geworden. In diesem Fall steht dem Prozessbevollmächtigten keine erhöhte Gebühr nach Nr. 1008 RVG-VV zu, weil er nicht für verschiedene Personen im Sinne dieser Vorschrift tätig geworden ist.
[7] Der Nebenintervenient ist nicht Vertreter der von ihm unterstützten Partei. Er beteiligt sich vielmehr nur an einem fremden Prozess und handelt insoweit neben der Hauptpartei. Der Nebenintervenient handelt mithin stets in eigenem Namen und kraft eigenen Rechts (vgl. Musielak/Weth, ZPO, 7. Aufl., § 67 Rn 2; PG/Gehrlein, ZPO, § 67 Rn 1; Zöller/Vollkommer, 27. Aufl., ZPO, § 67 Rn 1, jeweils m.w.N.).
[8] Im Hinblick darauf wird zu Recht ein Anspruch auf eine erhöhte Gebühr nach Nr. 1008 RVG-VV (früher: § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO) verneint, wenn ein Rechtsanwalt in einem Prozess eine Partei und zugleich diese als Streithelfer eines Dritten vertritt (vgl. OLG Braunschweig OLGR Braunschweig 2001, 181, 182; OLG Koblenz JurBüro 2004, 484; OLG München OLGR München 1993, 171). Nach dem Sinn und Zweck der Nr. 1008 RVG-VV soll mit der Erhöhung dem mit dem Vorhandensein mehrerer Beteiligter typischerweise verbundenen Mehr an Arbeit und Aufwand, insbesondere durch die laufende Informationsaufnahme und Unterrichtung durch den Rechtsanwalt, in genereller Weise Rechnung getragen werden. Zudem wird die Erhöhung in solchen Fällen mit dem für den Prozessbevollmächtigten bestehenden höheren Haftungsrisiko begründet (vgl. BGH NJW 1987, 2240, 2241; OLG München, a.a.O.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., 1008 VV Rn 37; BT-Drucks 7/2016, 99; BT-Drucks 15/1971, 205). Nach diesem Sinn und Zweck ist es zwar grundsätzlich möglich, dass der Rechtsanwalt eine erhöhte Gebühr erhält, wenn er eine Partei und zugleich einen Streithelfer vertritt, weil es unerheblich ist, in welcher Rolle die mehreren Auftraggeber an einer Angelegenheit beteiligt sind (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Rn 40). Der Anwalt muss aber für mehrere Personen tätig werden. Dies ist nicht der Fall, wenn er einen Auftraggeber vertritt, der in verschiedenen Rollen am Verfahren teilnimmt, wie hier die Beklagte zu 3 als Partei und zugleich als Nebenintervenient (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Rn 48). In einem solchen Fall liegt eine andere Situation vor als in den Verfahren, in denen der Rechtsanwalt den Nebenintervenienten und die von diesem unterstützte Partei vertritt (vgl. OLG Hamburg JurBüro, 1984, 702) oder eine Person gleichzeitig als Partei kraft Amtes und als natürliche Perso...