ZPO § 851c
§ 851c ZPO erfasst Berufsunfähigkeitsrenten einer (privaten) Berufsunfähigkeits-Versicherung Selbständiger nicht, wenn diese – wie üblich – Leistungen nur bis zu einer bestimmten Altersgrenze verspricht. Die Leistungen sind pfändbar.
OLG Hamm, Urt. v. 20.5.2009 – 20 U 135/08
Der Insolvenzschuldner war selbständiger Inhaber eines Handels- und Montageunternehmens für Türen und Fenster. Er unterhielt bei der Beklagten eine Zusatzversicherung, die ihm bei Berufsunfähigkeit Leistungen bis zum 1.10.2020 versprach. Der Insolvenzverwalter nahm die Beklagte auf Zahlung der Rente an die Masse in Anspruch.
Aus den Gründen:
“… Berufsunfähigkeits-Renten für den Zeitraum April 2007 bis März 2008
Zutreffend hat das LG geprüft, ob die Voraussetzungen des insoweit über § 36 Abs. 1 InsO einschlägigen § 851c ZPO vorliegen, und dies im Ergebnis verneint.
Die durch das Gesetz zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge vom 26.3.2007 (BGBl I, S. 368) eingeführte Norm soll den Pfändungsschutz der Altersvorsorge Selbständiger verbessern. Die neue Norm soll Lebensversicherungen und private Rentenversicherungen und darüber hinaus sämtliche Ansprüche auf Leistungen, die der Altersvorsorge Selbständiger dienen, schützen wie Arbeitseinkommen nach §§ 850–850g ZPO. Dazu müssen die entsprechenden Verträge die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 Nr. 1 – 4 ZPO kumulativ erfüllen. Diese den Leistungsschutz einschränkenden Voraussetzungen dienen dem Interesse der Gläubiger. Es soll so sichergestellt werden, dass tatsächlich nur Alters-Versorgungen in den Pfändungsschutz einbezogen werden …
Soweit das LG Bedenken geäußert hat, ob in dem Versicherungsvertrag des Insolvenzschuldners mit der Beklagten, die Zahlung einer Kapitalleistung, ausgenommen für den Todesfall, nicht vereinbart worden ist (§ 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO) können diese dahinstehen. Zutreffend ist jedenfalls die Argumentation des LG zu § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier nicht gegeben:
Nach seinem Wortlaut regelt § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Pfändung vertraglicher Leistungen wie im Fall von Arbeitseinkommen, wenn
1. Alternative: die Leistung in regelmäßigen Zeitabständen lebenslang und nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres
oder
2. Alternative: die Leistung in regelmäßigen Abständen lebenslang nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit
gewährt wird.
Die von der Beklagten vorgeschlagene Leseart, wonach die Leistung entweder in regelmäßigen Zeitabständen lebenslang und nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres gewährt wird oder nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit, übersieht, dass die Formulierung ‘Leistung in regelmäßigen Zeitabständen lebenslang’ nach dem Wortlaut der Vorschrift auf beide Alternativen – also Alters- und Berufsunfähigkeitsrente – zutreffen soll. Sie wird nämlich beiden Alternativen vorangestellt. Auch das Argument der Beklagten, der ursprüngliche Gesetzesentwurf, der an dieser Stelle zunächst die Formulierung ‘lebenslange Rente’ vorgesehen habe und später geändert worden sei, überzeugt in diesem Zusammenhang nicht. Zwar ist tatsächlich die ursprüngliche Formulierung in ‘Leistung in regelmäßigen Zeitabständen lebenslang’ geändert worden. Diese Änderung hat der Gesetzgeber aber wie folgt begründet:
‘Der bisher dem § 851c zu Grunde gelegte Begriff ‘Rente’ erwies sich als zu eng, weil er die Auslegung zugelassen hat, dass nur Lebensversicherungen oder private Rentenversicherungen erfasst sein könnten. Es wird deshalb die neutralere Formulierung ‘Ansprüche auf Leistungen’ gewählt.’
Die Verschiebung des Adjektivs ‘lebenslang’ ist dabei nicht erörtert worden.
Gegen die Auffassung der Beklagten spricht weiter, dass die amtliche Überschrift des § 851c ZPO lautet ‘Pfändungsschutz bei Altersrenten’.
Eine Altersrente ist aber nur dann gegeben, wenn sie lebenslang geleistet wird und nicht nur bis zum 60. oder 65. Lebensjahr wie die Berufsunfähigkeitsrente, die lediglich einen Ausgleich für den mit der Berufsunfähigkeit verbundenen Verdienstausfall bis zum Eintritt des üblichen Rentenalters bieten soll.
Der Beklagten ist einzuräumen, dass das oben erläuterte Verständnis des § 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO Leistungen aus zurzeit gängigen Modellen der Berufsunfähigkeits- und Berufsunfähigkeitszusatz-Versicherungen vom Pfändungsschutz ausgrenzt. Die zurzeit auf dem Markt befindlichen Berufsunfähigkeits-(Zusatz-)Versicherungen sehen Zeitrenten vor, die ähnlich wie gesetzliche Erwerbsminderungsrenten bis zum Erreichen einer bestimmten Altersgrenze (z.B. bis zum 60. oder 65. Lebensjahr) gezahlt werden. So ist es auch im vorliegenden Versicherungsvertrag des Insolvenz-Schuldners Sch vorgesehen gewesen. Mithin ist eine konventionelle Berufsunfähigkeits-(Zusatz-)Versicherung im Insolvenzfalle des Versicherungsnehmers verwertbar und nicht geschützt, weil die Berufsunfähigkeitsrente nicht lebenslang erbracht wird.
Dies hat der Gesetzgeber aber offensichtlich gesehen und gewollt, obwohl insoweit weder ein sozialer Schutz des berufsunfähig gewordenen Selbständigen noch eine Entlast...