BGB §§ 474 Abs. 1 S. 1, 346 Abs. 1; Richtlinie 1999/44/EG (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) Art. 3
Bei Rückabwicklung eines Verbrauchsgüterkaufs steht einem Anspruch des Verkäufers auf Nutzungswertersatz gem. § 346 Abs. 1 BGB europäisches Recht (hier: Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) nicht entgegen.
BGH, Urt. v. 16.9.2009 – VIII ZR 243/08
Die Klägerin kaufte von dem beklagten Kraftfahrzeughändler mit Vertrag vom 9.5.2005 ein gebrauchtes Kfz mit einer Laufleistung von 174.500 Kilometern für 4.100 EUR. Die Klägerin finanzierte den Kaufpreis über die C-Bank und erbrachte an diese Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.126,15 EUR. Ein Betrag von 4.052,54 EUR ist noch offen. Das Fahrzeug hatte einen Rahmenschaden erlitten und war mit nicht zugelassenen Teilen (Reifen, Felgen und Auspuff) versehen. Nachdem die Klägerin dem Beklagten vergeblich eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hatte, erklärte sie den Rücktritt vom Kaufvertrag. Sie ist mit dem Fahrzeug 36.000 Kilometer gefahren. Die Klägerin hat Zahlungen von insgesamt 1.026,15 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs begehrt sowie die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, sie von den Ansprüchen der C-Bank aus dem zur Finanzierung des Fahrzeuges aufgenommenen Darlehen freizustellen.
Das AG hat den Beklagten im Wege des Versäumnisurteils entsprechend diesen Anträgen verurteilt. Nach dem Einspruch des Beklagten hat des AG das Versäumnisurteil hinsichtlich des Zahlungsantrages insgesamt sowie hinsichtlich des Feststellungsantrages in Höhe eines Betrages von 51,08 EUR aufrecht erhalten und den Beklagten auf die zwischenzeitliche Erweiterung der Klage zur Zahlung weiterer 100 EUR nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung und der Anschlussberufung des Beklagten das Urteil des AG hinsichtlich des Feststellungsantrages teilweise abgeändert und das Versäumnisurteil insoweit hinsichtlich eines Betrages von 1.129,77 EUR wieder hergestellt. Das LG hat die Revision nur für den vom Beklagten geltend gemachten Gegenanspruch auf Nutzungswertersatz zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Feststellungsantrag hinsichtlich der Freistellung in Höhe von 2.922,77 EUR weiter.
Die Revision hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
[6] “I. Das BG hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, ausgeführt:
[7] Die Klägerin sei wegen der Sachmängel des Fahrzeugs gem. § 323 Abs. 1 BGB zum Rücktritt berechtigt gewesen. Ihr stehe deshalb gegen den Beklagten aus § 346 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung der an die finanzierende Bank erbrachten Zahlungen (1.126,15 EUR) sowie auf Freistellung von den noch bestehenden Darlehensverbindlichkeiten zu, allerdings gemindert um die Gebrauchsvorteile des Fahrzeugs, die das AG zutreffend auf 2.922,77 EUR (0,08 EUR je km) bemessen habe.
[8] Die Entscheidung des EuGH vom 17.4.2008 (Rs. C-404/06, NJW 2008, 1433) stehe der Anrechnung der Nutzungsentschädigung nicht entgegen. Nach dieser Entscheidung widerspreche § 346 BGB nur insoweit der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999, als es um Nachbesserung und Austausch eines vertragswidrigen Verbrauchsgutes gehe; eine analoge Anwendung dieser Entscheidung auf den vorliegenden Fall der Vertragsauflösung komme nicht in Betracht.
[9] II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Rahmen des beschränkten Umfangs der Revisionszulassung stand, sodass die Revision zurückzuweisen ist.
[10] 1. Die Revision ist, soweit sie sich gegen die Höhe des Nutzungswertersatzes wendet, unstatthaft und damit unzulässig (§ 543 Abs. 1 ZPO), weil die Revision insoweit nicht zugelassen ist.
[11] Das BG hat die Revision nur beschränkt – auf den Grund des vom Beklagten geltend gemachten Gegenanspruchs auf Nutzungswertersatz – zugelassen. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor, wohl aber, was nach der Rspr. des BGH ausreicht (BGHZ 153, 358, 360 f. = NJW 2003, 1518 m.w.N.), aus den Gründen des Urteils. Die Begründung des BG für die Zulassung der Revision zielt darauf ab, ob § 346 BGB mit europäischem Recht vereinbar ist, soweit diese Bestimmung im Falle des Rücktritts eines Verbrauchers vom Verbrauchsgüterkauf eine Ersatzpflicht des Verbrauchers für gezogene Nutzungen vorsieht. Dies betrifft lediglich den Grund des Gegenanspruchs, den der Beklagte gegenüber dem von der Klägerin geltend gemachten Freistellungsanspruch erhoben hat. Eine Beschränkung der Revisionszulassung auf den Anspruchsgrund ist nach der Rspr. des BGH möglich (Senat NJW 1982, 2380 [unter II 2 c]; BGH NJW 2004, 3176 = FÜR 2004, 584 [unter II 1]). Dies gilt, wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, auch für einen Gegenanspruch. Auch insoweit ist der Anspruchsgrund ein selbstständig anfechtbarer Teil des Streitgegenstands, auf den die Revisionsführerin selbst ihre Revision hätte beschränken können.
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