BGB § 823
1. Das bei einem Wettkampf – hier Fußballspiel – ein Spieler einen anderen verletzt, begründet für sich genommen noch keinen Sorgfaltspflichtverstoß.
2. Das Bestehen von Haftpflichtversicherungsschutz wirkt grundsätzlich nicht anspruchsbegründend.
BGH, Urt. v. 27.10.2009 – VI ZR 296/08
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden in Anspruch.
Am 18.3.2007 spielte der Kläger als Mitglied des Fußballvereins MTV R gegen die Mannschaft des FC E, der der Beklagte angehörte. Während des Spiels kam es zwischen den Parteien zu einem Kampf um den Ball, bei dem der Kläger eine Fraktur des Schien- und Wadenbeins erlitt.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe ihn von hinten mit gestrecktem Bein angegriffen, nachdem er den Ball schon abgespielt habe. Der Beklagte hat behauptet, dass beide Parteien nach dem Ball gelaufen seien. Er habe den Ball zuerst erreicht. Der Kläger habe sein Bein nach dem Ball ausgestreckt und dadurch den Lauf des Beklagten gestört. Bei dieser Aktion seien beide Parteien zu Fall gekommen.
Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der vom BG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Aus den Gründen:
[5] “I. Das BG verneint eine Haftung des Beklagten für die Unfallschäden des Klägers. Ein Schadensersatzanspruch eines Teilnehmers an einem sportlichen Kampfspiel gegen einen Mitspieler setze den Nachweis voraus, dass dieser sich nicht regelgerecht verhalten habe. Verletzungen, die auch bei regelgerechtem Verhalten auftreten könnten, nehme jeder Spielteilnehmer in Kauf, weshalb es jedenfalls gegen das Verbot des treuwidrigen Selbstwiderspruchs verstoße, wenn der Geschädigte den beklagten Schädiger in Anspruch nehme, obwohl er ebenso gut in die Lage habe kommen können, in der sich nun der Beklagte befinde, sich dann aber (und mit Recht) dagegen gewehrt haben würde, diesem trotz Einhaltens der Spielregeln Ersatz leisten zu müssen. Der Kläger habe den Beweis für einen Regelverstoß von einiger Erheblichkeit nicht geführt. Die Angaben des vom Kläger benannten Zeugen O seien nicht glaubhafter als die der anderen Zeugen. Auf die Frage, ob der Beklagte haftpflichtversichert sei, komme es nicht an. Die Entscheidung des BGH, wonach eine Haftungsfreistellung bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotenzial nicht anzunehmen sei, soweit Versicherungsschutz bestehe (vgl. Senatsurt. v. 29.1.2008 – VersR 2008, 540), sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Diese Entscheidung beziehe sich auf einen Schaden bei einer motorsportlichen Veranstaltung, bei der alle Teilnehmer pflichtversichert gewesen seien. Eine Ausdehnung der in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze auf private Haftpflichtversicherungen sei dagegen abzulehnen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Teilnehmer eines sportlichen Wettbewerbs dem anderen gegenüber hafte, wäre nämlich sonst unterschiedlich je nach beteiligtem Spieler danach zu beantworten, ob eine Haftpflichtversicherung bestehe oder nicht.
[6] II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
[7] 1. Die Frage, zu deren Klärung das BG die Revision zugelassen hat, stellt sich im Streitfall allerdings nicht.
[8] a) Das BG hat die Revision wegen der Frage zugelassen, ob in Fortführung des Senatsurt. v. 29.1.2008 (VersR 2008, 540) ein Haftungsausschluss bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotenzial auch dann nicht in Betracht kommt, wenn eine private Haftpflichtversicherung besteht. In diesem Urteil, dem ein Auffahrunfall während einer motorsportlichen Veranstaltung auf dem Hockenheimring zu Grunde lag, hat der erkennende Senat entschieden, dass im Regelfall weder von einem konkludenten Haftungsausschluss ausgegangen noch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen als treuwidrig angesehen werden kann, wenn für die auf Grund des besonderen Gefahrenpotenzials einer Sportveranstaltung zu erwartenden bzw. eintretenden Schäden für die Teilnehmer Versicherungsschutz besteht. Seien die bestehenden Risiken durch eine Haftpflichtversicherung gedeckt, bestehe weder ein Grund für die Annahme, die Teilnehmer wollten gegenseitig auf etwaige Schadensersatzansprüche verzichten, noch erscheine es treuwidrig, wenn der Verletzte den durch die Versicherung gedeckten Schaden geltend mache (vgl. Senatsurt. v. 29.1.2008 – a.a.O.). Der Senat hat dem Bestehen eines Versicherungsschutzes damit eine anspruchserhaltende Funktion beigemessen.
[9] b) Auf die Frage, ob die Haftung des Beklagten konkludent abbedungen wurde oder die Geltendmachung gegen ihn gerichteter Ersatzansprüche treuwidrig ist, kommt es im Streitfall aber nicht an. Eine Haftung des Beklagten ist bereits deshalb nicht gegeben, weil die Voraussetzungen des vorliegend allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 823 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind. Es fehlt jedenfalls an dem erforderlich...