Die Beschlussgründe unterscheiden nicht sauber zwischen Anfall und Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr, was dazu führt, dass das KG zu Unrecht die Notwendigkeit der Tätigkeit des Verteidigers verneint.

Anfall der Verfahrensgebühr

Nach Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG entsteht die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Dies gilt für sämtliche in Teil 4 VV RVG aufgeführten Verfahrensgebühren, mithin auch für die hier in Rede stehende Verfahrensgebühr nach Nr. 4130 VV RVG für das Revisionsverfahren. Diese Gebühr entsteht somit, wenn der Verteidiger nach Erhalt des Auftrags für das Revisionsverfahren zumindest eine in den Abgeltungsbereich dieser Gebühr fallende Tätigkeit entfaltet. Hierzu gehören eher passive Tätigkeiten wie die Entgegennahme der Information oder auch aktive Anwaltstätigkeiten wie die Beratung des Mandanten über die infolge der Einlegung der Revision seitens der StA eingetretene verfahrensrechtliche Situation und die Erfolgsaussichten dieser Revision (OLG Jena JurBüro 2006, 365; OLG Schleswig SchlHA 2006, 299; Burhoff, RVG in Straf- und Bußgeldverfahren, 2. Aufl. Vorbem. 4. 1 Rn 26 ff.). Derartige Tätigkeiten hatte der Verteidiger hier entfaltet. Ob diese überflüssig waren oder "objektiven Wert" hatten, ist für den Anfall der Verfahrensgebühr unerheblich.

Notwendigkeit der Verfahrensgebühr

Für die Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr kommt es darauf an, ob die Einschaltung des Verteidigers notwendig war, §§ 473 Abs. 2, 464a Abs. 2a) StPO, § 91 Abs. 2 ZPO. Dies wird in der obergerichtlichen Rspr. für die hier vorliegende Fallgestaltung oder für die Rücknahme der von der StA eingelegten Berufung vor deren Begründung häufig verneint, so KG RVGreport 2006, 352 = AGS 2006, 375; OLG Düsseldorf JurBüro 1981, 229; OLG Zweibrücken JurBüro 1978, 256. Dies wird meist damit begründet, dass eine sinnvolle Tätigkeit des Verteidigers vor Kenntnisnahme der Revisionsbegründung nicht möglich sei.

Hierbei wird jedoch nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Angeklagte im Regelfall darauf vertrauen kann, dass sich die StA an ihre eigenen internen Anweisungen hält, die sich aus den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) v. 1.1.1977, geändert zum 1.1.2008, Bundesanzeiger Nr. 208 v. 8.11.2007, S. 7950, ergeben. Nach Nr. 147 Abs. 1 S. 1. RiStBV soll die StA ein Rechtsmittel nur einlegen, wenn wesentliche Belange der Allgemeinheit oder der am Verfahren beteiligten Personen es gebieten und wenn das Rechtsmittel aussichtsreich ist. Nach Nr. 148 Abs. 1 RiStBV soll ein Rechtsmittel nur ausnahmsweise lediglich vorsorglich eingelegt werden. Hierbei darf in der Rechtsmittelschrift nicht zum Ausdruck kommen, dass das Rechtsmittel nur vorsorglich oder auf Weisung eingelegt wird, Nr. 148 Abs. 2 RiStBV. Legt danach die StA ein Rechtsmittel ein, muss der Angeklagte damit rechnen, dass die StA dies – aus ihrer Sicht – aus gutem Grund tut und ihr Rechtsmittel nicht sogleich wieder zurücknimmt, die StA es somit ernst meint. Angesichts dieser Situation verlangt ein großer Teil der Strafgerichte, dass sich der Angeklagte erst einmal in aller Ruhe zurücklehnt und abwartet, ob die StA ihr Rechtsmittel nicht begründet.

Die Zivilgerichte sind da zu Recht großzügiger. Selbst im Fall der Berufung oder Revision zur Fristwahrung, bei der somit auf Grund dieses Vorbehalts zumindest Zweifel bestehen können, ob das fristwahrend eingelegte Rechtsmittel auch durchgeführt wird, ist der Rechtsmittelgegner erstattungsrechtlich berechtigt, sofort einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung im Rechtsmittelverfahren zu beauftragen, was (zunächst) die verminderte Verfahrensgebühr nach Nr. 3201, 3207 VV RVG auslöst, die dann auch erstattungsfähig ist, so BGH NJW 2003, 756 = BRAGOreport 2003, 53 (Hansens) = AGS 2003, 219 = JurBüro 2003, 257; BGH NJW 2003, 2992 = BRAGOreport 2003, 202 (Hansens) = JurBüro 2003, 595. Entsprechendes gilt bei einem ohne Begründung eingelegten Rechtsmittel, so BAG NJW 2003, 3796 = RVGreport 2004, 35 (Hansens) = AGS 2004, 82 mit Anm. N. Schneider = JurBüro 2004, 190; BGH NJW 2007, 3723 = RVGreport 2007, 427 (Hansens) = AGS 2007, 537 mit Anm. N. Schneider = JurBüro 2008, 36 mit Anm. Madert für die Berufung und BGH NJW 2003, 1324 = BRAGOreport 2003, 74 (Hansens) = AGS 2003, 291 mit Anm. N. Schneider = JurBüro 2003, 255 für die Revision. Der Rechtsmittelbeklagte bekommt in diesen Verfahrenssituationen lediglich nicht die durch einen Rechtsmittelzurückweisungsantrag ausgelöste volle Verfahrensgebühr erstattet, wohl aber die verminderte. Warum dies in Strafsachen, in denen im Regelfall nicht erkennbar ist, dass die StA ihr Rechtsmittel vorsorglich einlegt, so völlig anders sein soll, hat mir kein Strafgericht erläutert.

Sicher wird in solchen Fällen wie sie hier vom KG entschieden worden sind, die Verfahrensgebühr meist nur im unteren Bereich des Gebührenrahmens erstattungsfähig sein, weil keine umfangreichen Anwaltstätigkeiten erforderlich waren. Dies kann jedoch ander...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?