VVG a.F. § 12 Abs. 1; BGB § 195
Leitsatz
Zum Einfluss der Verweigerung der Herausgabe eines Gutachtens auf die Verjährung
LG Dortmund, Urt. v. 9.6.2010 – 2 O 471/08
Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines angeblichen Einbruchsdiebstahls Anfang Juli 2006 aus einer Geschäftsinhaltsversicherung in Anspruch. Die Beklagte weigerte sich zunächst, das von ihr in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten an den Kläger herauszugeben, wurde dazu aber am 21.5.2008 verurteilt und überließ das Gutachten dem Kläger am 2.7.2008.
2 Aus den Gründen:
" … Es kann dahinstehen, ob die Klage auch wegen der weiteren Einwendungen der Beklagten unbegründet ist; denn jedenfalls wäre ein etwaiger Anspruch des Klägers auf die bedingungsgemäße Versicherungsleistung verjährt, sodass die Klage mit sämtlichen Anträgen, auch soweit sie als Stufenklage erhoben worden ist, abgewiesen werden muss.
Der geltend gemachte Anspruch ist gem. § 12 Abs. 1 VVG a.F. verjährt.
1. Gem. § 12 Abs. 1 S. 2 VVG a.F. begann die Verjährung mit dem Schluss des Jahres 2006. Denn bereits im Jahr 2006 konnte der Kläger “die Leistung verlangen’, weil die Beklagte die Leistung bereits hier dem Grunde nach abgelehnt hatte. Das Ablehnungsschreiben vom 20.11.2006 ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers noch im November 2006 zugegangen.
2. Mit Ablauf des Jahres 2008 trat Verjährung ein, Art. 3 (2) EGVVG. Denn die 2-Jahresfrist des § 12 Abs. 1 S. 1 VVG a.F. ist kürzer als die neue Regelfrist von 3 Jahren gem. §§ 195, 199 BGB (vgl. hierzu auch Neuhaus, r+s 2007, 441; Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 1a, Rn 55).
Der Lauf der Verjährungsfrist ist durch die Erhebung der Klage in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht unterbrochen worden. Zwar ging die Klage noch am 30.12.2008 bei Gericht ein. Jedoch wurde sie der Beklagten erst am 9.3.2009 zugestellt, ohne dass die Zustellung auf den Eingang der Klage zurückwirkte. Eine Klageerhebung ist auch dann noch rechtzeitig, wenn die Klage vor Ablauf der Frist bei Gericht eingeht und “demnächst’ zugestellt wird. Denn in diesem Fall wirkt die außerhalb der Frist erfolgte Klagezustellung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung zurück, § 167 ZPO. An der Erfüllung der Voraussetzungen für eine demnächstige Zustellung fehlt es hier. Nach der Rspr. des OLG Hamm (r+s 2004, 136 m.w.N.) der die Kammer in st. Rspr. folgt, kann eine Zustellung “demnächst’ nicht mehr bejaht werden, wenn nach Zugang der Kostenanforderung eine “Mindestbearbeitungsfrist’ von 4 vollen Werktagen, an denen auch Banken geöffnet haben und weitere 2 Wochen verstrichen sind, ohne dass der Vorschuss eingezahlt wurde.
Danach erfolgt die Zahlung des Vorschusses deutlich verspätet. Denn die Kostenanforderung des Gerichts vom 9.1.2009 ging dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits am 14.1.2009 zu. Der Kostenvorschuss wurde jedoch erst am 19.2.2009 eingezahlt.
3. Die Beklagte ist nicht gem. § 242 BGB nach den Grundsätzen von Treu und Glauben wegen eines unredlichen Erwerbes der eigenen Rechtstellung daran gehindert, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Dies würde voraussetzen, dass die Beklagte die Verjährung durch eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung mit verursacht hat, In einem solchen Fall müsste sie die Forderung als unverjährt gegen sich geltend lassen (Palandt, BGB, 67. Aufl., Überblick vor § 194, Rn 21). Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass der Beklagten eine Pflichtverletzung zu Last fällt, weil sie das Gutachten H nicht bereits auf die Anforderung durch den Kläger übersandte, sondern erst nach Vorliegen des Urteils vom 21.5.2008 dem Verlangen des Klägers nachkam. Diese Pflichtverletzung ist indes nicht für den Eintritt der Verjährung kausal geworden. Denn zum Zeitpunkt des Einganges des Gutachtens am 2.7.2008 hatte der Kläger noch einen Zeitraum von knapp einem halben Jahr zur Verfügung, um die Klage vorzubereiten und einzureichen. Dieser Zeitraum ist bei weitem als ausreichend anzusehen, zumal dem Kläger bereits im Jahr 2006 durch eine fernmündliche Auskunft des Sachverständigen H bekannt geworden war, dass Spuren an dem Schloss festgestellt wurden.
Dies steht mit der Wertung im Einklang, dass nach dem Wegfall der die Unzulässigkeit einer Rechtsausübung begründenden Umstände keine neue Verjährungsfrist beginnt und auch die Vorschriften über die Hemmung nicht anzuwenden sind, sondern sich die für die Geltendmachung des Anspruches verbleibende Frist nach den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs und den Umständen des Einzelfalles bestimmt, wobei die Höchstgrenze in der Regel bei 4 Wochen anzusetzen ist (Palandt, a.a.O., Rn 20). … “