“ … II. (1) Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Feststellung, dass der Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsvertrag mit der Bekl. unverändert, also über den 31.12.2008 hinaus bis heute fortbesteht.
(a) Dieser Vertrag zwischen den Parteien endete im Jahr 2008 nicht durch die berufliche Tätigkeit des Kl. und seinen Aufenthalt in der Türkei nach § 15 Nr. 3 AVB Krankenversicherung und § 15 Nr. 3 AVB Pflegeversicherung.
Beide Paragraphen sehen ein Ende des Versicherungsverhältnisses vor, wenn der VN bzw. die versicherte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einen Staat verlegt, der kein Mitglied der Europäischen Union ist oder ein Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Dazu gehört die Türkei nicht.
Dabei ist es ohne Belang, ob der Wegzug nur vorübergehend ist. § 15 Nr. 3 AVB Krankenversicherung umfasst diesen Fall ausdrücklich. Dies folgt aus S. 2, der dem VN bei einer nur vorübergehenden Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ausdrücklich das Recht gewährt, das Versicherungsverhältnis auf Antrag in eine Anwartschaftsversicherung umzuwandeln. Das heißt im Umkehrschluss, dass es bei der Beendigung des Versicherungsverhältnisses bleibt, solange der VN keine Umwandlung verlangt.
Auch § 15 Nr. 3 AVB Pflegeversicherung betrifft den Fall des nur vorübergehenden Wegzuges. Denn auch er regelt ein Antragsrecht, binnen eines Monats nach Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts eine besondere Fortsetzungsvereinbarung zu treffen. Das ist nur sinnvoll, wenn die Verlegung des Aufenthalts vorübergehend erfolgt, weil die Pflegeversicherung nur Leistungen bei einem Aufenthalt in Deutschland gewährt (§§ 1, 5 AVB Pflegeversicherung).
Der “gewöhnliche Aufenthalt’ ist der Ort, an dem der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person, ihr Daseinsmittelpunkt, liegt. Zu fordern ist nicht nur ein Aufenthalt von nicht geringer Dauer. Vielmehr ist das Vorhandensein weiterer Beziehungen zu dem Aufenthaltsort zu verlangen, speziell in familiärer oder beruflicher Hinsicht, in denen – im Vergleich zu einem sonst in Betracht kommenden Aufenthaltsort – der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person zu sehen ist. Dieser Begriff unterscheidet sich von dem Wohnsitzbegriff wesentlich nur dadurch, dass der Wille, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, nicht erforderlich ist. Es handelt sich bei dem gewöhnlichen Aufenthalt somit um einen “faktischen’ Wohnsitz, der ebenso wie der gewillkürte Wohnsitz Daseinsmittelpunkt sein muss. Durch zeitweilige Abwesenheit, auch von längerer Dauer, wird der gewöhnliche Aufenthalt normalerweise nicht aufgehoben, sofern die Absicht besteht, an den früheren Aufenthaltsort zurückzukehren (BGH NJW 1975, 1068).
Das Schreiben des Kl. v. 4.1.2009 an die Bekl. deutet zwar auf eine solche Aufenthaltsverlegung hin. Der Kl. hat geschrieben, dass er seit dem 15.9.2008 in der Türkei wohne. Auch in der Klageschrift heißt es, dass der Kl. seinen Aufenthaltsort aus beruflichen Gründen in die Türkei verlegt hat. Dies hat er später im Schriftsatz v. 2.8.2011 relativiert. Er hat behauptet, durchgehend in Deutschland gemeldet gewesen zu sein und eine Wohnung angemietet zu haben (zur Bedeutung dieser Umstände allgemein: LG Kassel VersR 1988, 842). Tatsächlich hat er eine Kopie eines Mietvertrags ab dem 1.8.2008 in Deutschland vorgelegt und Verbrauchsabrechnungen, die zeigen, dass Familienangehörige durchgängig in Deutschland wohnten. Außerdem hat sich der Kl. nach seinem Vortrag – gegen den nichts spricht – nur aus beruflichen Gründen vom 15.9.2008 bis zum 13.10.2008 und vom 28.11.2008 bis 31.8.2009 (bis auf Weihnachten/Silvester und Geburtstage) in der Türkei aufgehalten.
Die glaubhaften Erklärungen des Kl. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat stehen im Einklang mit den objektiven Umständen, der vorgelegten Meldebescheinigung und dem Mietvertrag. Danach wohnten die Frau des Kl. und die drei gemeinsamen Kinder ununterbrochen in Deutschland. Die Kinder gingen – soweit sie schon schulpflichtig waren – in Deutschland in die Schule. Der Kl. hat in der Türkei keine eigene Wohnung bezogen, sondern in der Wohnung eines Bekannten übernachtet, der im Immobiliengeschäft tätig war und mit dessen Hilfe der Kl. berufliche Kontakte knüpfen wollte.
Die berufliche Tätigkeit des Kl. in der Türkei war – nach seinen Angaben – nicht gefestigt, sondern bestand lediglich in dem Versuch, festzustellen, ob er türkische Immobilien in Deutschland bewerben könne. Eine Umsiedlung mit der gesamten Familie in die Türkei hat der Kl. – wie er vorträgt – nie beabsichtigt.
Diese Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme, der Kl. habe seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort im Jahr 2008 in die Türkei verlegt … .
(b) Das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien ist auch nicht durch das Schreiben der Bekl. v. 26.1.2009 beendet worden. § 15 Nr. 3 AVB Krankenversicherung und § 15 Nr. 3 AVB Pflegeversicherung sehen automatische Beendigungsgründe vor, abhängig vom objekti...