“Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kl. steht gegen die Bekl. ein Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG i.H.v. 2.533,18 EUR zu.

1. Die Bekl. ist als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung Anspruchsverpflichtete aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG.

Gem. § 4 Abs. 1 SGB V handelt es sich bei der Bekl. um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Tätigkeit als öffentliche Sozialversicherung hoheitlicher Leistungsverwaltung zuzuordnen ist. Damit gelten auch für die Erteilung von Auskünften und die Bescheidung von Anträgen und Anfragen auf diesem Gebiet die allgemeinen Grundsätze über die Erteilung von Auskünften im hoheitlichen Bereich (Staudinger/Wöstmann (2012), BGB, § 839 Rn 785).

2. Der Zeuge K handelte in Ausübung eines öffentlichen Amtes.

Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (BGH VersR 2006, 1684; OLG Hamm, Urt. v. 5.6.2009 – 11 U 193/08, RdL 2010, 128 – juris Tz. 23). Bei Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung obliegt der Bekl. bzw. ihren zuständigen Amtsträgern – unabhängig davon, ob diese Beamtenstatus haben oder in einem sonstigen Anstellungsverhältnis stehen und daher (lediglich) als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen sind (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., 2012, § 839 Rn 15) – die Verpflichtung zu gesetzeskonformen Verwaltungshandeln. Nach § 14 SGB I sind die Sozialleistungsträger zu einer zutreffenden Beratung der Versicherten über die Rechte und Pflichte in der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet. Auskünfte und Belehrungen sind grds. richtig, klar, unmissverständlich, eindeutig und vollständig zu erteilen (BGH NJW 1994, 2087 – juris Tz. 43). Die damit im Vorfeld des Wechsels der Kl. zur Bekl. sowie die danach entfaltete Beratungstätigkeit des Zeugen K im Rahmen von § 14 SGB I ist als hoheitliches Handeln anzusehen.

3. Die Pflicht zu zutreffender Beratung besteht auch im Interesse der Kl. als geschützte “Dritte’ i.S.v. § 839 BGB.

4. Das LG hat rechtsfehlerfrei eine Verletzung der dem Zeugen K obliegenden Amtspflicht zur zutreffenden Beratung über den Umfang der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung angenommen. …

b. Ohne Erfolg wendet sich die Bekl. in der Berufung gegen die Feststellungen des LG, dass das Vertrauen der Kl. auf die Richtigkeit der ihr erteilten Auskünfte nicht schutzwürdig gewesen sei.

aa. Grds. darf der Bürger von der “Rechtmäßigkeit der Verwaltung’ ausgehen (BGH NJW 1994, 2087 – juris Tz. 30; BSGE 44, 114 (121); BGH NJW 2003, 3049 – juris Tz. 8). Allerdings kommt es bei der Haftung wegen falscher Auskünfte auch darauf an, ob das nach Erhalt der Auskunft entfaltete Vertrauen schutzwürdig ist. Es ist deshalb zunächst festzustellen, ob die konkrete Auskunft überhaupt geeignet war, eine Vertrauens-/Verlässlichkeitsgrundlage für Investitionen zu bilden. Dabei sind als Gesichtspunkte, die einen Vertrauensschutz ausschließen können, nicht nur objektive Umstände, sondern auch subjektive Kenntnisse und sich aufdrängende Erkenntnismöglichkeiten des Empfängers der Auskunft in Betracht zu ziehen (OLG Koblenz MDR 2008, 746 – juris Tz. 35). Nach der Rspr. des BGH ist diese Prüfung nicht erst bei der Frage des mitwirkenden Verschuldens i.S.d. § 254 BGB vorzunehmen, sondern bereits bei der Prüfung der objektiven Reichweite des den Betroffenen durch das Amtshaftungsrecht gewährten Vermögensschutzes (BGH, Urt. v. 11.4.2002, BGH-Report 2002, 626 ff). Eine Verlässlichkeitsgrundlage ist dann nicht mehr gegeben, wenn der Empfänger die Unrichtigkeit der Auskunft kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (BGH VersR 2003, 205 – juris Tz, 13).

bb. Gemessen an diesen Grundsätzen stellte die Beratung und Auskunftserteilung durch den Zeugen K eine ausreichende Vertrauensgrundlage für die finanziellen Dispositionen der Kl. dar. Die Beweiswürdigung des LG weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Bekl. auf.

Aufgrund der Komplexität des Sozialversicherungsrechts und der Verzahnung der gesetzlichen Krankenversicherung mit anderen Sozialversicherungsbereichen (Pflege, Rentenrecht, Sozialhilfe) kann nicht davon ausgegangen werden, dass in der Öffentlichkeit der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung auch in den Details in der Weise bekannt ist, dass sich die Unrichtigkeit der Auskünfte des Zeugen K der Kl. aufdrängen musste. Zudem sieht auch das gesetzliche Krankenversicherungsrecht die ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?