BGB § 254 § 839; SGB I § 11 § 14
Leitsatz
Zur Haftung einer gesetzlichen Krankenkasse für Leistungszusagen ihrer Mitarbeiter.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.12.2012 – 12 U 105/12
Sachverhalt
Die Kl. verlangt von der Bekl. Schadensersatz aus Amtshaftung wegen unzutreffender Auskünfte über den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Kl., die zuvor ebenfalls gesetzlich krankenversichert war, wechselte nach einem Beratungsgespräch mit dem Mitarbeiter der Bekl., dem Zeugen K, mit Wirkung zum 1.4.2007 zur Bekl. als gesetzlichem Krankenversicherer. Die der Kl. entstandenen Kosten ihrer medizinischen Versorgung, inbs. aus einer Krebsbehandlung auf naturheilkundlicher Basis, Kosten für Nahrungsergänzungsmittel, Zahnreinigung, Praxisgebühren sowie Zuzahlungen für Massagen und Medikamente, reichte sie jeweils über den Zeugen K bei der Bekl. ein, der die Rechnungen aus seinem Privatvermögen beglich, da die geltend gemachten Kosten nicht vom Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst waren. Nachdem im Jahr 2008 nicht unerhebliche Zahlungsrückstände aufgetreten waren, blieb die Kostenerstattung im Jahr 2010 endgültig aus, woraufhin sich die Kl. an die Bekl. wandte, die damit erstmals von dem Sachverhalt Kenntnis erlangte und eine Kostenübernahme ablehnte.
Nach Beweisaufnahme hat das LG der Klage teilweise stattgegeben. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass die Bekl. der Kl. aus Amtshaftung wegen unzutreffender Auskünfte ihres Mitarbeiters zum Schadensersatz verpflichtet sei, der durch die Aussage, alle Kosten würden von der Bekl. übernommen, seine ihm der Kl. gegenüber bestehenden Amtspflichten verletzt habe. Das Vertrauen der Kl. auf die Zusage sei auch schutzwürdig. Zwar seien die Auskünfte des Zeugen nur mündlich erfolgt, die Kl. habe auch in der Folge keine schriftlichen Abrechnungsunterlagen erhalten und die Überweisungen seien vom Privatkonto des Zeugen aus getätigt worden. Allerdings sei der Kontakt zum Zeugen K durch die Tochter der Kl. vermittelt worden, deren Kostenerstattung über den Zeugen K stets beanstandungslos verlaufen sei. Zudem habe sich die Kl. in jedem Einzelfall über die Erstattungsfähigkeit beim Zeugen K rückversichert, der sie in einem Fall auf die Erforderlichkeit einer Zusatzversicherung hingewiesen habe, so dass ein Zweifel an der Unrichtigkeit der Auskunft bei der Kl. nicht habe aufkommen können. Ein Mitverschulden der Kl. sei nicht zu berücksichtigen.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Bekl.
2 Aus den Gründen:
“Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kl. steht gegen die Bekl. ein Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG i.H.v. 2.533,18 EUR zu.
1. Die Bekl. ist als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung Anspruchsverpflichtete aus § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG.
Gem. § 4 Abs. 1 SGB V handelt es sich bei der Bekl. um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Tätigkeit als öffentliche Sozialversicherung hoheitlicher Leistungsverwaltung zuzuordnen ist. Damit gelten auch für die Erteilung von Auskünften und die Bescheidung von Anträgen und Anfragen auf diesem Gebiet die allgemeinen Grundsätze über die Erteilung von Auskünften im hoheitlichen Bereich (Staudinger/Wöstmann (2012), BGB, § 839 Rn 785).
2. Der Zeuge K handelte in Ausübung eines öffentlichen Amtes.
Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (BGH VersR 2006, 1684; OLG Hamm, Urt. v. 5.6.2009 – 11 U 193/08, RdL 2010, 128 – juris Tz. 23). Bei Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung obliegt der Bekl. bzw. ihren zuständigen Amtsträgern – unabhängig davon, ob diese Beamtenstatus haben oder in einem sonstigen Anstellungsverhältnis stehen und daher (lediglich) als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen sind (Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., 2012, § 839 Rn 15) – die Verpflichtung zu gesetzeskonformen Verwaltungshandeln. Nach § 14 SGB I sind die Sozialleistungsträger zu einer zutreffenden Beratung der Versicherten über die Rechte und Pflichte in der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet. Auskünfte und Belehrungen sind grds. richtig, klar, unmissverständlich, eindeutig und vollständig zu erteilen (BGH NJW 1994, 2087 – juris Tz. 43). Die damit im Vorfeld des Wechsels der Kl. zur Bekl. sowie die danach entfaltete Beratungstätigkeit des Zeugen K im Rahmen von § 14 SGB I ist als hoheitliches Handeln anzusehen.
3. Die Pflicht zu zutreffender Beratung besteht auch im Interesse der Kl. ...