[7]“ … II. Die Beurteilung des BG hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen seiner Auffassung bleibt der Beklagtenvortrag in der Berufungsinstanz nicht gem. § 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Das LG hat die Verteidigungsmittel der Bekl. im ersten Rechtszug zu Unrecht zurückgewiesen.
[8] 1. Zwar führt das LG die Vorschrift des § 296 Abs. 1 ZPO an, ohne ausdrücklich auf die Verweisung in § 340 Abs. 3 S. 3 ZPO Bezug zu nehmen. In seiner Zurückweisungsbegründung stellt es aber darauf ab, dass der Einspruchsführer seine Angriffs- und Verteidigungsmittel innerhalb der Einspruchsfrist vorzubringen habe, soweit es einer sorgfältigen Prozessführung entspreche (§ 339 Abs. 1, § 340 Abs. 3 ZPO). Die lange Prozessdauer bis zum Versäumnisurteil dient dem LG als Argument dafür, dass die Bekl. spätestens mit der Einspruchsschrift auf die Klage hätte erwidern können und müssen. Es führt aus, die Verspätung habe nicht durch Anordnungen nach § 273 Abs. 2 ZPO ausgeglichen werden können, weil der maßgebende Schriftsatz erst im Einspruchstermin übergeben worden sei. Dies bezieht sich nach dem Kontext auf die Versäumung der Einspruchsfrist und ihre Folgen. Daraus geht nicht eindeutig hervor, ob die Zurückweisung auf § 340 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 296 Abs. 1 ZPO oder auch auf § 296 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 276 Abs. 1 S. 2 ZPO gestützt worden ist. Das kann aber offen bleiben, weil die Voraussetzungen einer Präklusion nach beiden Alternativen nicht erfüllt sind.
[9] 2. Die Revision rügt zu Recht, dass die auf die Versäumung der Einspruchsfrist gestützte Zurückweisung gegen das verfassungsmäßige Verbot einer ohne weiteres erkennbaren “Überbeschleunigung’ verstößt, wonach ein verspätetes Vorbringen nicht ausgeschlossen werden darf, wenn offenkundig ist, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vortrag eingetreten wäre (vgl. BVerfGE 75, 302, 316; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 296 Rn 22; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 296 Rn 64, 66).
[10] a) Die zivilprozessualen Präklusionsvorschriften haben im Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG strengen Ausnahmecharakter, weil sie sich zwangsläufig nachteilig auf das Bemühen um eine materiell richtige Entscheidung auswirken und einschneidende Folgen für die säumige Partei nach sich ziehen. Ihre Anwendung steht unter dem besonderen Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit (vgl. Senatsurt. v. 22.5.2001 – VI ZR 268/00, VersR 2002, 120, 121; BGH v. 5.3.1990 – II ZR 109/89, VersR 1990, 673, 674 = NJW 1990, 2389, 2390; BVerfGE 75, 302, 312; BVerfG v. 26.8.1988 – 2 BvR 1437/87, NJW 1989, 706; v. 9.5.2003 – 1 BvR 2190/00, juris Rn 10 m.w.N.). Allein der mit der Präklusion verfolgte Zweck einer Abwehr pflichtwidriger Verfahrensverzögerungen durch die Parteien rechtfertigt verfassungsrechtlich die Einschränkung des Prozessgrundrechts auf rechtliches Gehör (BVerfG v. 26.8.1988, a.a.O.).
[11] Soll die Bestimmung des § 296 Abs. 1 ZPO ihre vorgesehene Aufgabe wirksam erfüllen, so muss sie klar und ggf. auch streng gehandhabt werden. Der BGH vertritt deshalb in st. Rspr. die Ansicht, dass es für die Feststellung einer Verzögerung des Rechtsstreits allein darauf ankommt, ob der Prozess bei Zulassung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung. Dagegen ist es grds. unerheblich, ob der Rechtsstreit bei rechtzeitigem Vorbringen ebenso lange gedauert hätte. Das Gericht ist allerdings verpflichtet, die Verspätung durch zumutbare Vorbereitungsmaßnahmen gem. § 273 ZPO so weit wie möglich auszugleichen und dadurch eine drohende Verzögerung abzuwenden (vgl. BGH v. 12.7.1979 – VII ZR 284/78, BGHZ 75, 138, 141 ff.; v. 31.1.1980 – VII ZR 96/79, BGHZ 76, 133, 135 f.; v. 13.3.1980 – VII ZR 147/79, BGHZ 76, 236, 239; v. 26.3.1982 – V ZR 149/81, BGHZ 83, 310, 313; v. 2.12.1982 – VII ZR 71/82, BGHZ 86, 31, 34 ff. m.w.N.; v. 19.10.1988 – VIII ZR 298/87, NJW 1989, 719, 720).
[12] b) Die Anwendung dieses sog. absoluten Verzögerungsbegriffs ist grds. mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG vereinbar (vgl. BVerfGE 75, 302, 316; BVerfG NJW 1992, 679, 680). Die Zulässigkeit einer Präklusion wird verfassungsrechtlich allerdings bedenklich, wenn sich ohne weitere Erwägungen aufdrängt, dass dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vorbringen eingetreten wäre. Einerseits kann es nicht Sinn der der Beschleunigung dienenden Präklusionsvorschriften sein, das Gericht mit schwierigen Prognosen über hypothetische Kausalverläufe zu belasten und damit weitere Verzögerungen zu bewirken; diese Vorschriften dürfen aber andererseits auch nicht dazu benutzt werden, verspätetes Vorbringen auszuschließen, wenn ohne jeden Aufwand erkennbar ist, dass die Pflichtwidrigkeit – die Verspätung allein – nicht kausal für eine Verzögerung ist. In diesen Fällen ist die Präklusion rechtsmissbräuchlich; denn sie dient erkennbar nicht dem mit ihr verfolgten Zweck. Da aber allein dieser Zweck, die Abwehr pflichtwidriger Verfahrensverzögerungen, die Einschränkung des Anspruchs auf Gewährung recht...