ZPO § 114 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2
Leitsatz
Wird im Kfz-Haftpflichtprozess neben dem bedürftigen Fahrer zugleich auch der Haftpflichtversicherer in Anspruch genommen, der nach den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung zur Führung des Rechtsstreits für die versicherten Personen und der Beauftragung eines Rechtsanwalts in deren Namen berechtigt ist und der ein Interesse daran hat, alle Ansprüche auch für den Fahrer abzuwehren, so ist die gesonderte Rechtsverteidigung des Fahrers nebst Beiordnung eines eigenen Prozessbevollmächtigten grds. mutwillig.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.12.2018 – 12 W 24/18
Sachverhalt
Der Kl. hatte vor dem LG Neuruppin die Bekl. zu 1. als Fahrerin und die Bekl. zu 2. als Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs auf materiellen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 20.3.2015 in Anspruch genommen. Die Klageschrift ist der Bekl. zu 1. am 21.3.2018 und der Bekl. zu 2. am 6.4.2018 zugestellt worden. Das LG hat die Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens angeordnet und den Bekl. jeweils eine Frist zur Anzeige der Verteidigung von zwei Wochen ab Zustellung der Klageschrift sowie eine Frist zur Klageerwiderung innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der ersten Frist gesetzt. Die durch Rechtsanwalt A vertretene Bekl. zu 1. hat am 3.4.2018 beim LG ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt und mit Schriftsatz vom 17.4.2018 auf die Klage erwidert. Zwischenzeitlich hatten die Rechtsanwälte B sich mit Schriftsatz vom 12.4.2018 für beide Bekl. bestellt und die Verteidigungsabsicht für die Bekl. angezeigt. Unter dem 23.4.2018 hat die Bekl. zu 1. die Bewilligung von PKH unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt A beantragt.
Das LG Neuruppin hat diesen Antrag durch Beschl. v. 18.6.2018 wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverteidigung zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte beim OLG Brandenburg keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… [10] II. "Die sofortige Beschwerde der Bekl. zu 1. ist nach §§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insb. innerhalb der Monatsfrist des § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO eingelegt worden.""
[11] In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Zu Recht hat das LG den Antrag der Bekl. zu 1. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Gem. § 114 S. 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Es kann dahinstehen, ob das Vorbringen der Bekl. zu 1. ausreichend ist, eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung gegenüber dem Klägervorbringen zu begründen. Im Streitfall ist der Antrag der Bekl. zu 1. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines eigenen Prozessbevollmächtigten als mutwillig anzusehen, da die Interessen der Bekl. zu 1. durch die auf Veranlassung der Bekl. zu 2. erfolgten Bestellung der Rechtsanwälte B auch für die Bekl. zu 1. und die Übernahme der Rechtsverteidigung durch diese Rechtsanwälte bereits hinreichend gewahrt sind und daneben ein besonderer sachlicher Grund für die Einschaltung eines eigenen Prozessbevollmächtigten durch die Bekl. zu 1. nicht ersichtlich ist.
[12] Mutwilligkeit liegt vor, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde wie der Antragsteller im Prozesskostenhilfeverfahren (vgl. Herget in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 114 νRn 30 m.w.N.). Ein solcher Fall ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn im Verkehrsunfall- bzw. Haftpflichtprozess neben der bedürftigen Partei zugleich der Versicherer in Anspruch genommen wird, der zum einen nach den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) zur Führung des Rechtsstreits für die versicherten Personen einschließlich der Beauftragung eines Rechtsanwaltes in deren Namen berechtigt ist (vgl. Nr. E.1.2 AKB 2015, sowie Nr. E.2.4 AKB 2008 und § 7 Nr. II. Abs. 5 AKB in den Fassungen der Jahre 2007, 2004 und 1988) und zum anderen ein Interesse daran hat, alle Ansprüche wegen behaupteter Schadensereignisse durch ein bei ihm versichertes Kraftfahrzeug in gleicher Weise abzuwehren wie der Fahrzeughalter oder der Fahrer (vgl. KG zfs 2008, 527 m. Anm. Hansens = RVGreport 2008, 317 (Hansens); OLG Frankfurt VersR 2005, 1550; OLG Köln NJW – rr 2004,1550 = MDR 2005, 106; Bork in: Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 114 νRn 8; Fischer in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 114 νRn 3; Wache in: MüKo-ZPO, 5. Aufl., § 114 νRn 38; so auch Senat NJW-RR 2010, 245 = VersR 2010, 274). Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn dem Antragsteller die Vertretung durch denselben Prozessbevollmächtigten nicht zumutbar ist, etwa weil die Vertrauensgrundlage fehlt oder ein Interessenkonflikt besteht (OLG Köln, a.a.O.; Bork, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund findet auch eine Kostenerstattung nach § 91 Abs. 1 ZPO regelmäßig nicht statt, wenn der Versicherungsnehmer oder der versicherte Fahrer einen eigenen Prozessbevollmächtigten bestellt, ohne...