BGB § 31 § 249 § 826; VO (EG) 715/2007 Art. 3 Nr. 10 Art. 5 Abs. 2
Leitsatz
1. Der personelle Anwendungsbereich des § 31 BGB deckt sich in etwa mit dem Begriff des leitenden Angestellten im arbeitsrechtlichen Sinne.
2. Die Entwicklung eines Motortyps, der in Millionen von Fahrzeugen weltweit eingesetzt werden soll, ist zeit- und kostenaufwendig. Eine Vielzahl hochqualifizierter Mitarbeiter ist hierin eingebunden. Ein Entwicklungsauftrag dieser Größenordnung bedarf einer besonders engmaschigen Projektsteuerung einschließlich festgelegter Berichtspflichten, um in einem betriebswirtschaftlich vertretbaren Zeit- und Kostenrahmen zu bleiben. Es wäre daher lebensfern anzunehmen, sowohl der Vorstand der Beklagten (VW AG) als auch die leitenden Angestellten in der Motorenentwicklung hätten nachgeordneten Mitarbeitern freie Hand gelassen und sich über die Fortschritte oder auch Nichtfortschritte des Entwicklungsauftrags nicht regelmäßig unterrichtet.
3. Ein Käufer eines Fahrzeugs mit EA 189-Motor muss sich nicht mit dem von der Herstellerin entwickelten Software-Update zufriedengeben. Es ist nicht auszuschließen, dass die Durchführung des Software-Updates zu nachteiligen Folgen für die Lebensdauer des Motors führen wird. Auf anderslautende Angaben der Herstellerin, die durch nichts belegt sind, muss der Käufer nicht vertrauen, weil die Herstellerin gerade in Bezug auf die Motorsteuerung getäuscht hat. Was immer die Herstellerin nun zu den Eigenschaften und Auswirkungen des Software-Updates angibt, kann zutreffen, teilweise zutreffen oder nicht zutreffen.
LG Köln, Urt. v. 12.10.2018 – 2 O 102/18
Sachverhalt
Die Kl. kaufte am 11.9.2012 einen Pkw W Tiguan zum Preis von ca. 21.000 EUR und vereinbarte zusätzlich eine sog. Anschlussgarantie. Das am 31.3.2009 zugelassene Fahrzeug wies eine Laufleistung von ca. 40.000 km auf. Das Fahrzeug war mit einem 2,0 TDI-Motor ausgestattet, der zu den Motoren des Typs E 189 gehört. Dieser von der Bekl. entwickelte Motor war mit einer verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet, die im Zulassungsverfahren zu einer Verfälschung der Abgaswerte führte.
Die Kl. forderte im Jahre 2018 die Bekl. auf, den gezahlten Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Kfz zu erstatten. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung wies das Kfz eine Laufleistung von ca. 110.000 km auf.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet."
I. Die Kl. hat gegen die Bekl. unter dem Gesichtspunkt einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB einen Anspruch auf Erstattung des für den streitgegenständlichen Pkw gezahlten Kaufpreises i.H.v. 23.470,33 EUR abzüglich gezogener Gebrauchsvorteile i.H.v. 7.797,50 EUR, mithin 15.672,83 EUR, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs. Im Einzelnen:
1. Die Kl. hat durch ein Verhalten der Bekl., nämlich durch das Inverkehrbringen des, wie die Bekl. wusste, technisch mangelbehafteten streitgegenständlichen Pkw-Motors, einen Schaden erlitten. Ein Schaden i.S.d. § 826 BGB ist nicht nur die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter oder eine nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses (BGH, Urt. v. 19.7.2004 – II ZR 302/02, ZIP 2004, 1593 m. Bespr. Leisch, S. 1573 = juris Rn 41, dazu EWiR 2004, 961 [Lenenbach]; LG Offenburg, Urt. v. 12.5.2017 – 6 O 119/16, juris Rn 28). Es genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit. Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Geschäfts, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt (so auch LG Offenburg, Urt. v. 12.5.2017 – 6 O 119/16, juris Rn 28).
Die Kl. hat ein von der Bekl. hergestelltes, mit einem Motor der Baureihe EA 189 ausgestattetes und in Verkehr gebrachtes Fahrzeug erworben, welches in einem bedeutsamen Gesichtspunkt anders beschaffen war, als ein vernünftiger Durchschnittskäufer dies erwarten durfte. Ein vernünftiger Durchschnittskäufer darf nämlich davon ausgehen, dass ein von ihm erworbener Pkw entweder zu Recht zugelassen oder zulassungsfähig ist: Hierzu gehört, dass der Hersteller die für das Fahrzeug erforderliche Typgenehmigung nicht durch Täuschung erwirkt hat. Das gilt auch, wenn der Käufer sich bis zum Bekanntwerden einer solchen Täuschung keine konkreten Vorstellungen von den technischen Einrichtungen und den rechtlichen Voraussetzungen für die Typgenehmigung gemacht hat (so auch OLG Köln, Beschl. v. 20.12.2017 – 18 U 112/17, juris Rn 36, 38). Bei der von der Bekl. in das streitgegenständliche Fahrzeug implementierten Software handelt es sich nach der zutreffenden Beurteilung des Kraftfahrtbundesamtes um eine verbotene Abschalteinrichtung gem. Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007. Das Vorhandensein dieser Abs...