Oftmals sind tatsächliche/vermeintliche/geltend gemachte gesundheitliche Probleme Ursache des Nichterscheinens. Der Umgang hiermit ist für die Gerichte anerkanntermaßen schwierig. Zunächst gilt: Ob ein Betroffener i.S.d. § 74 Abs. 2 OWiG entschuldigt ist, richtet sich nicht danach, was er selbst zur Entschuldigung vorgetragen hat. Maßgebend ist, ob sich aus den Umständen, die dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannt und im Wege des Freibeweises feststellbar waren, eine ausreichende Entschuldigung ergibt. Der Betroffene ist also nicht zur Glaubhaftmachung oder gar zum Nachweis der vorgebrachten Entschuldigungsgründe verpflichtet. Ein konkreter Anhaltspunkt für einen möglichen Entschuldigungsgrund liegt vielmehr vor, wenn dem Betroffenen in einem eingereichten ärztlichen Attest Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt wird. Bescheinigungen, insb. ärztliche Atteste haben daher so lange als genügende Entschuldigung zu gelten, als nicht deren Unglaubwürdigkeit oder Unbrauchbarkeit feststeht, es sei denn, das Vorbringen ist aus der Luft gegriffen oder sonst ganz offensichtlich ungeeignet, das Ausbleiben zu entschuldigen. Bloße Zweifel an einer genügenden Entschuldigung dürfen nicht zu Lasten des Betroffenen gehen. Das Gericht ist in diesem Fall vielmehr gehalten, seinen Zweifeln – ggf. im Wege des Freibeweises – nachzugehen. In der Vorlage des Attests durch den Betroffenen liegt regelmäßig zugleich die Entbindung des ausstellenden Arztes von seiner Schweigepflicht, so dass eine Beweiserhebung im Freibeweisverfahren einfach möglich ist durch Anruf, Schreiben oder gar Zeugenladung. Das Gericht darf aber kein ärztliches Attest über Verhandlungsfähigkeit fordern, denn dies ist ein Rechtsbegriff. Die Nachforschungsverpflichtung des Gerichts ist andererseits nicht grenzenlos. Ihre Auslösung setzt (wenigstens) voraus, dass der Betroffene vor der Hauptverhandlung schlüssig einen Sachverhalt vorträgt oder vortragen lässt, der geeignet ist, sein Ausbleiben genügend zu entschuldigen, dem Gericht somit hinreichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind; nur dann ist er auch nicht verpflichtet, die Richtigkeit seines Vorbringens glaubhaft zu machen und durch Vorlage von geeigneten Unterlagen zu belegen. Eine andere Sicht wäre mit dem Gesetzeszweck, das Verfahren zu beschleunigen und den Betroffenen daran zu hindern, eine gerichtliche Entscheidung nach Gutdünken zu verzögern, indem er der Verhandlung fernbleibt, unvereinbar. In diesen Fällen muss das mit dem Beschleunigungsgebot konkurrierende Streben nach einer möglichst gerechten Sachentscheidung mit der Folge zurück treten, dass im Einzelfall auch ein möglicherweise sachlich unrichtiges Urteil in Kauf zu nehmen ist. Im Fall einer Erkrankung ist das Ausbleiben des Betroffenen nicht erst dann entschuldigt, wenn der Betroffene verhandlungsunfähig ist. Es genügt vielmehr, dass ihm infolge der Erkrankung das Erscheinen vor Gericht nicht zuzumuten ist.
Ergibt sich aus dem ärztlichen Attest eine Erkrankung, die keinen Schluss auf Reise-/Verhandlungsunfähigkeit zulässt, so muss das Gericht dem Attest aber nicht weiter nachgehen. Es ist aus Rechtsgründen so auch nicht zu beanstanden, wenn das AG das Ausbleiben eines Betroffenen nicht als entschuldigt ansieht, der – nicht überprüfbar und nicht durch Attest belegt – sein Ausbleiben in der Hauptverhandlung mit einer Schleimbeutelentzündung im rechten Arm behauptet, weil eine derartige Erkrankung nicht ohne Weiteres eine Verhandlungs- oder die Reiseunfähigkeit zur Folge hat. Andererseits muss der Betroffene bei ausreichender Entschuldigung und Entbindung des Arztes von der Schweigepflicht nicht auch noch etwa eine "Verhandlungsunfähigkeit" gerade am Terminstage attestierende Bescheinigung vorlegen. Zweifel in einem solchen Fall sind etwa durch eine Anfrage bei dem behandelnden und aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hervorgehenden Arzt abzuklären, wobei ein erfolgloser Anrufversuch bei dem attestausstellenden Arzt nicht dazu führen kann, im Zweifel gegen den Betroffenen zu entscheiden und von einer fehlenden Entschuldigung auszugehen – nötig ist die Überzeugung, dass der Betroffene unentschuldigt nicht erschienen ist. Die Beweiserhebung im Freibeweisverfahren wegen einer attestierten Erkrankung ist (theoretisch) einfach, da die Vorlage eines ärztlichen Attestes eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht darstellt. Insbesondere bei länger andauernden Erkrankungen liegt es für Gerichte nahe, den Arzt auch zum Hauptverhandlungstermin zu laden, um ihn dann zur Verhandlungsfähigkeit intensiv zu vernehmen.