"…"
[29] Dem Kl. steht kein Anspruch gegen die Bekl. auf Zahlung von Schadensersatz wegen des Erwerbs des mit dem Motor EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 826 BGB noch aus einer anderen Anspruchsgrundlage[.]
1.
[30] Das mit dem Motor EA 189 ausgestattete streitgegenständliche Fahrzeug war zwar bei seinem Inverkehrbringen durch die Bekl. mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kfz hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (EUR 5 und EUR 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl L 171 vom 29.6.2007; nachfolgend: VO 715/2007/EG) versehen. Aufgrund dieser unzulässigen Abschalteinrichtung drohte der Widerruf der erteilten, aber lediglich formal wirksamen EG-Typgenehmigung und in der Folge die Betriebsuntersagung oder -beschränkung auf öffentlichen Straßen gem. § 5 Abs. 1 FZV (vgl. ausführlich BGH, Beschl. v. 8.1.2019 – VIII ZR 225/17 Rn 18 ff.).
[31] Das Inverkehrbringen derart manipulierter Fahrzeuge erfolgte sittenwidrig i.S.v. § 826 BGB. Die Bekl., die als Entwicklerin und Herstellerin des Motors wie des streitgegenständlichen Fahrzeugs für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben verantwortlich war, hat in erheblichem Maße gegen die berechtigten Verkehrserwartungen verstoßen. Die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer Prüfstandserkennung mit Umschaltlogik widersprach offensichtlich den Vorgaben der VO 715/2007/EG. Ein Fahr- und Emissionsverhalten, das durch eine spezielle Steuerungssoftware allein auf das Prüfverfahren abgestimmt war und somit keinerlei Rückschlüsse auf die tatsächlichen Eigenschaften im Normalbetrieb erlaubte, widersprach dem erkennbaren Zweck der Vorschrift.
[32] Als Beweggrund für das Handeln der Bekl. kommt allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung in Betracht (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.3.2019 – 13 U 142/18, juris Rn 32). Es erscheint lebensfremd, dass die Bekl. das mit der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundene erhebliche Risiko ohne wirtschaftlichen Vorteil eingegangen wäre (OLG Köln, Beschl. v. 16.7.2018 – 27 U 10/18, juris Rn 20).
[33] Zwar ist allein ein Handeln aus Gewinnstreben noch nicht als verwerflich anzusehen. Im Hinblick auf das eingesetzte Mittel ist vorliegend eine Verwerflichkeit jedoch zu bejahen. Dabei ist die große Zahl der betroffenen Fahrzeuge ebenso zu berücksichtigen wie der den Käufern drohende erhebliche Schaden in Form einer Stilllegung ihrer Fahrzeuge. Hinzu kommt die Art und Weise der Täuschung seitens der Bekl., die sich für den Absatz ihrer Motoren und Fahrzeuge das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch die Objektivität der staatlichen Behörde zunutze gemacht hat. Die Bekl. hat Behörden wie Käufer unter Inkaufnahme von deren Schädigung ebenso wie der Schädigung der Umwelt allein aus Profitstreben getäuscht.
2.
[34] Gleichwohl scheidet vorliegend eine Haftung der Bekl. wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung des Kl. aus. Der Kl. hat bereits keinen von der Bekl. verursachten Schaden erlitten (dazu sogleich unter a). Zudem fehlte es zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kl. an einer sittenwidrigen Veranlassung des Erwerbs seitens der Bekl. (dazu unter b).
a)
[35] Es ist davon auszugehen, dass der Kl. zum Zeitpunkt des Erwerbs Kenntnis davon hatte, dass das Fahrzeug von dem sog. Dieselskandal betroffen ist. Er hat daher bereits keinen von der Bekl. verursachten Schaden erlitten.
[36] In dem Kaufvertrag vom 25.7.2016, mit dem der Kl. das Fahrzeug erworben hat, heißt es unter “Besondere Vereinbarungen':
[37] “ … Rückrufaktion noch nicht aufgerufen … '
[38] Unter dem Begriff “Rückrufaktion' ist ersichtlich die aufgrund des Vorgehens des KBA im Oktober 2015 von der Bekl. erzwungene Änderung der Motorsteuersoftware durch Aufspielen eines Software-Updates gemeint. Der Kl. hat nicht, insb. nicht bei der Diskussion über diese vertragliche Vereinbarung im Verhandlungstermin vor dem Senat am 22.10.2019, dargelegt, dass mit dem Begriff “Rückrufaktion' etwas anderes gemeint gewesen sei. Wenn aber konkret beim Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs darüber gesprochen wurde, dass das Fahrzeug von dem sog. Dieselskandal betroffen ist, und im Kaufvertrag festgehalten wurde, dass deshalb noch eine Rückrufaktion aussteht, war dem Kl. bei Abschluss des Kaufvertrags bekannt, dass das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist. Es fehlt deshalb bereits an einem Schaden des Kl.
b)
[39] Zudem fehlt es an einer sittenwidrigen Veranlassung des Erwerbs des Fahrzeugs durch die Bekl.
aa)
[40] Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgef...