Kurz vor der Entscheidung des LG Köln hatte das OLG Nürnberg beim Tragen von Sportschuhen keine Obliegenheitsverletzung des Motorradfahrers feststellen können. Nach ausführlicher Befassung mit den vorgelegten Erhebungen und Statistiken empfand es das Gericht bereits als problematisch, bei Motorradschuhen einen Mindeststandard zu ermitteln. Aufgrund des breiten qualitativen Angebots könne selbst eine Statistik, wonach 80 % der Motorradfahrer Stiefel tragen sollen, kein Verkehrsbewusstsein darlegen. Dies mag angesichts der festgestellten Prozentangabe verwundern. Nachvollziehbarer ist das vom OLG Nürnberg erkannte Folgeproblem der Kausalität. Es sei aufgrund der qualitativen Bandbreite an Spezialschuhen nicht feststellbar, welche Art Motorradschuhe die Verletzungen verhindert bzw. vermieden hätten.
Im darauffolgenden Jahr setzte sich auch das LG Heidelberg in seiner Entscheidung ausführlich mit der bisherigen Rechtsprechung auseinander und überprüfte im konkreten Fall, ob ein allgemeines Bewusstsein bestehe, bei Rollerfahrten Ganzkörperschutzkleidung zu tragen. Im Gegensatz zum OLG Brandenburg stellte es fest, dass allein das Verletzungsrisiko keine Obliegenheit begründe, maximale Vorkehrungen hiergegen zu treffen. Entscheidend sei vielmehr eine vernünftige Verkehrsanschauung, weshalb das Verletzungsrisiko allein nicht als Argument genüge. Leider bemühte es – offenbar mangels Beklagtenvortrags zu einschlägigen Statistiken – in der weiteren Prüfung keine repräsentativen Unterlagen zu diesem Punkt und stellte aus eigener Anschauung fest, dass das Tragen von Ganzkörperprotektoren für innerörtliche Rollerfahrten ungewöhnlich, ja sogar übertrieben sei.
Hingegen bemühte das OLG München die im Internet frei verfügbaren jährlichen Erhebungen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) zur Frage, ob Rollerfahrer innerorts Motorradstiefel tragen. Der BGH hatte bereits für die gleichgelagerte Frage einer Helmpflicht für Radfahrer im Jahr 2014 die amtliche Statistik der BASt als belastbare Erhebung herangezogen. Das OLG befand die konkrete Statistik als unergiebig. Sie sei unklar hinsichtlich der Begriffe "komplette" und "unvollständige" Motorradkleidung sowie der Jahreszeit(en), in welchen die Erhebung durchgeführt wurde. Zudem würden "motorisierte Zweiradfahrer" ohne Unterscheidung der Fahrzeugtypen erfasst. Insoweit ließe sich das allgemeine Verkehrsbewusstsein zum fraglichen Unfalltag nicht ermitteln. Mangels anderweitiger Erkenntnisquellen wurde eine Mithaftung auch hier verneint.
Das LG Frankfurt a.M. hob ebenso die Bedeutung des allgemeinen Verkehrsbewusstseins für die Frage der Obliegenheitsverletzung hervor. Ein Harley-Davidson-Fahrer mit (Armee-)Stoffhosen erlitt bei einem Unfall Beinverletzungen. Hier hatte die darlegungsbelastete Beklagte ebenfalls Erkenntnisse der BASt vorgelegt. Das LG zweifelte die Repräsentativität der Testgruppe von rund 2000 Teilnehmern an, erachtete aber jedenfalls den Anteil von 43 % als nicht ausreichend, um ein allgemeines Verkehrsbewusstsein festzustellen.
Das OLG Düsseldorf reihte sich 2019 in Abwendung von seiner früheren Rechtsprechung in die differenzierte Betrachtung zum allgemeinen Verkehrsbewusstsein ein und unterzog die verfügbaren Unterlagen einer ausführlichen, kritischen Prüfung. Zu entscheiden war ein Unfall, bei welchem der Fahrer einer "Supersportler" mit 110 kW innerorts verunglückte. Er trug kurze Hosen und ein T-Shirt. Herangezogen wurden neben der allgemeinen Statistik der BASt (wonach lediglich 19 % der motorisierten Zweiradfahrer eine komplette Schutzkleidung trugen) auch eine vorhandene detaillierte Statistik für Krafträder (mit einem Hubraum > 125 ccm). Beide sah das Gericht als unergiebig an. Wie bereits das OLG Nürnberg moniert, seien nämlich Art und Qualität der entsprechenden Schutzkleidung unklar. Darüber hinaus wurden die vorhandenen Daten der German In-depth accident study (G.I.D.A.S.) berücksichtigt, jedoch mit denselben Einwänden als nicht aussagekräftig erkannt. Eine Studie des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft sei nicht repräsentativ, da dort nur 194 Verkehrsunfälle ausgewertet worden sind. Schließlich waren auch die beklagtenseits vorgebrachten Empfehlungen nach der einschlägigen Rechtsprechung nicht geeignet, ein Verkehrsbewusstsein zu begründen.