[…] II. 1. Die auf die allgemein erhobene Sachrüge veranlassende umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen den Betroffenen benachteiligenden Rechtsfehler ergeben; auf die hierzu gemachten Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft aus der Antragsschrift vom 13.7.2021 nimmt der Senat Bezug.

2. Auch die erhobene Verfahrensbeanstandung, mit der der Betroffene die Ablehnung eines Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens beanstandet, dringt nicht durch.

a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: Mit noch vor dem Hauptverhandlungstermin beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragte der Verteidiger die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung, dass ausweislich der Lichtbilder der Messung sich Hindernisse in Gestalt von Leitplanken im Erfassungsbereich des Messgeräts befanden, dies einen Widerspruch zur Gebrauchsanweisung darstellt und die vorhandenen Hindernisse im Messbereich sich auf den LIDAR und damit zu Lasten des Betroffenen auf den Geschwindigkeitswert ausgewirkt haben. Zur Begründung nahm der Verteidiger Bezug auf ein beigefügtes Privatsachverständigengutachten. In der Hauptverhandlung hat der Verteidiger den Beweisantrag unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz wiederholt. Das Amtsgericht hat die Beweiserhebung als nicht erforderlich gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt. In den schriftlichen Urteilsgründen hat es hierzu ausgeführt, dass eine konkrete Einwendung gegen die Messung nicht vorgetragen worden sei.

b) Das Amtsgericht hat durch die Ablehnung des Beweisantrages nicht gegen seine Pflicht zur umfassenden Sachaufklärung (vgl. Senge in KK-OWiG, 5. Aufl. 2018, § 77 Rn. 3) verstoßen.

aa) Der Tatrichter ist grundsätzlich nur dann gehalten die Zuverlässigkeit von Messungen, die – wie hier (vgl. Senat, Beschl. v. 10.2.2020 – 1 OWi 2 SsBs 122/19, juris Rn. 8) – mit einem anerkannten und weitgehend standardisierten Messverfahren gewonnen worden sind, zu überprüfen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler bestehen. Ob solche Anhaltspunkte im Einzelfall gegeben sind, kann hierbei unter anderem auch von den technischen Besonderheiten des angewandten Messverfahrens abhängen (BGH, Beschl. v. 30.10.1997 – 4 StR 24/97, NJW 1998, 321). Von einer Messung im standardisierten Verfahren kann aber (unter anderem) nur bei Einhaltung der in der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers enthaltenen Vorgaben ausgegangen werden. Wird von der dort vorgeschriebenen Verfahrensweise abgewichen, so handelt es sich um ein individuelles Messverfahren, das die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit für sich nicht in Anspruch nehmen kann (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 15.12.2017 – 2 Ss OWi 1703/17, juris Rn. 7; KG, Beschl. v. 23.7.2018 – 3 Ws (B) 157/18, juris Rn. 8).

bb) Insoweit weist die Rechtsbeschwerde zutreffend darauf hin, dass es in der Gebrauchsanweisung (Version 1.4.0 vom 24.2.2020) des hier verwendeten Messgeräts unter Punkt 7.1.1 heißt: "Hindernisse im Messbereich können zu Unterbrechungen oder erhöhter Anzahl von annullierten Messungen führen. Hindernisse im Erfassungsbereich des Messgeräts sind daher zu vermeiden." Auch trifft es zu, dass das Messfoto (das der Senat aufgrund von dessen Mitteilung in der Rechtsbeschwerdebegründung sowie der Inbezugnahme gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in den Urteilsgründen zur Kenntnis nehmen kann) im unteren linken Bereich den Teil einer Leitplanke erkennen lässt.

cc) Der Senat hat jedoch bereits durch den Einzelrichter entschieden (vgl. Beschl. v. 26.5.2020 – 1 OWi 2 SsBs 49/20, juris Rn. 5), dass auch dann von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden kann, wenn das Messgerät entgegen den Empfehlungen seiner Bedienungsanleitung hinter einer Leitplanke aufgestellt worden ist. Hieran hält er fest. Bei der betreffenden Passage der Bedienungsanleitung handelt es sich nicht um eine zwingende Vorgabe, deren Verletzung ein zum Nachteil des Betroffenen fehlerhaftes Messergebnis besorgen lässt und deren Missachtung daher dazu führt, dass nicht mehr von einer mittels eines standardisierten Verfahrens gewonnenen Messung auszugehen ist.

(1) Für ein solches Verständnis spricht bereits die Formulierung, dass "daher" Hindernisse im Erfassungsbereich zu vermeiden seien. Dies nimmt Bezug auf den vorangegangenen Satz, der auf die Möglichkeit von Unterbrechungen bzw. einer erhöhten Anzahl von annullierten Messungen verweist. Bereits dies zeigt, dass die Vorgabe allein die Messfreudigkeit des Geräts sichern und mithin gewährleistet werden soll, dass das Gerät Messungen nicht nur aufgrund der Art und Weise seiner Aufstellung verwirft.

(2) Der Senat hat ergänzend Stellungnahmen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) und des Herstellers V. Dr.-Ing. S., Bildverarbeitungssysteme GmbH, eingeholt und verwertet. Diese bestätigen dieses Verständnis:

(a) Die PTB hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 14.9.2021 die an sie gestellten Fragen des Senats, ob ausgeschlossen werden kann, dass ein Aufbau hinter e...

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