Diese Ansicht des OLG Nürnberg überzeugt, dürfte aber in der Praxis nur in wenigen Fällen tatsächlich umgesetzt werden können. Jedenfalls ist dem OLG Nürnberg im Ausgangspunkt zuzustimmen, da ein solches Interesse für den Beitritt auf Seiten des Gegners des eigenen Versicherungsnehmers dann anzunehmen ist, wenn das Haftungsurteil gegenüber dem Haftpflichtversicherer eine Bindungswirkung entfaltet, die auch seinen Einwand der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls erfasst. Dies ist aber nur der Fall, wenn sämtliche dafür notwendigen Tatsachen vom Gericht in dem ersten Haftungsprozess festgestellt worden sind und diese Feststellungen auch für die Entscheidung des Verfahrens notwendig waren. Denn nur in diesem Fall liegt eine sogenannte Voraussetzungsidentität vor, die alleine zum Eintritt einer Bindungswirkung führt. Überschießende Tatsachen, die der Richter im Haftpflichtprozess nicht zwingend treffen muss, sind dagegen nicht verbindlich. Selbst wenn also im ersten Prozess die Voraussetzungen des § 103 VVG im Urteil festgestellt werden, ohne dass dies Auswirkungen auf die Haftung des Versicherungsnehmers hätte, besteht keine Bindungswirkung.
Insoweit ist zu beachten, dass bei dem Fall des OLG Nürnberg auch eine fahrlässige Haftung nach § 823 BGB in Betracht kommen dürfte. Im Falle einer verschuldensunabhängigen Haftung aus der Betriebsgefahr nach § 7 StVG sind darüber hinaus zu einem Verschulden sogar gar keine Feststellungen notwendig. Es lässt sich allenfalls darüber diskutieren, ob im Rahmen der Bemessung eines Schmerzensgeldes ein vorsätzliches Handeln als ein das Schmerzensgeld erhöhender Faktor zu berücksichtigen ist. Allein unter diesem Gesichtspunkt kann zu befürchten sein, dass im Haftungsprozess auch Feststellungen zu einem Vorsatz getroffen werden. Insoweit ist aber auch zu beachten, dass im Rahmen des § 103 VVG der Vorsatz sich auch auf die Schadensfolgen beziehen muss. Nur wenn dieser Gesichtspunkt auch im Haftungsprozess bei der Höhe der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Rolle spielen kann, lässt sich eine Voraussetzungsidentität bejahen und es kann eine Bindungswirkung eintreten.
Ist dies nicht der Fall, werden alle entscheidungserheblichen Einwendungen zu einer vorsätzlichen Schadensherbeiführung im Rahmen des Deckungsprozesses weiter zu prüfen sein. Dann stellt sich die Frage, ob sich für den Versicherer tatsächlich eine Beteiligung schon im Haftpflichtprozess erstens überhaupt und zweitens im Fall eines Beitritts sogar auf Seiten des Geschädigten anbietet – bestehen z.B. auch aus Sicht des Haftpflichtversicherers Einwendungen zur Höhe des von ihm verfolgten Anspruches, ist ein solches Tätigwerden wenig sinnvoll.
Autor: Dr. Michael Nugel, Rechtsanwalt und FA für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, Essen
zfs 3/2023, S. 124 - 130