Vom 25. bis 27.1.2023 fand in Goslar der 61. Deutsche Verkehrsgerichtstag statt. In acht Arbeitskreisen war die Behandlung von Fahrzeugdaten ebenso Thema wie beispielsweise die Halterhaftung bei Verkehrsverstößen, die KI-Haftung im Straßenverkehr, Reparaturkosten bei Haftpflichtschäden, E-Scooter, Meldepflicht für Ärztinnen und Ärzte von fahrungeeigneten Personen und die Fahrtenbuchauflage.
Zu dem Themenbereich "Fahrzeugdaten" hat der Arbeitskreis die folgenden Empfehlungen abgegebenen:
Der Arbeitskreis begrüßt das Ziel des EU Data Acts, die Daten vernetzter Produkte Verbrauchern und Unternehmen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung zu stellen und damit die Innovation und den fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Der Zugang zu den Fahrzeugdaten bedarf allerdings unverzüglich einer sektorspezifischen Lösung auf EU-Ebene. Die Bundesregierung wird aufgefordert, ein Konzept vorzulegen, das den technischen Zugang zu den Fahrzeugdaten für die Nutzenden sowie berechtigte Dritte regelt und die Interessen von Verbrauchern, Wirtschaft, Forschung und Öffentlichkeit angemessen berücksichtigt. Der Arbeitskreis empfiehlt den exklusiven technischen Zugriff der Hersteller auf die Fahrzeugdaten in ein anderes Modell zu überführen (z.B. Treuhänderlösung, SOTP), bei dem der Hersteller gleichberechtigt wie andere Dritte behandelt wird. Über die Freigabe der Fahrzeugdaten muss grundsätzlich der Datengenerierende entscheiden können (Datenhoheit). Die Regelung muss den fairen Wettbewerb, Innovation und die Wahlfreiheit von Fahrzeugnutzenden sicherstellen. Dazu ist u.a. eine Standardisierung der Daten und des Datenzugriffs vorzunehmen, mit der die Datenverwendung ermöglicht wird. Dabei sind Datenschutz, Datensicherheit und Sicherheit im Straßenverkehr Rechnung zu tragen. Das Konzept hat auch sicherzustellen, dass Polizei und Justiz im Rahmen ihrer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen Zugriff auf Fahrzeugdaten gewährt wird. Der Arbeitskreis empfiehlt, die General Safety Regulation (EU 2019/2144) zeitnah anzupassen, dass der Event-Data-Recorder auch Standort, Datum und Uhrzeit nebst Zeitzone für die Durchführung von Unfallanalysen speichert.
Zum Thema "Reparaturkostenersatz beim Haftpflichtschaden" lauten die Empfehlungen wie folgt:
Der Arbeitskreis hält das in der Rechtsprechung zum Reparaturkostenersatz entwickelte 4-Stufen-Modell grundsätzlich für sachgerecht. Dies gilt auch für die sog. 130-%-Rechtsprechung (3. Stufe), wonach der Geschädigte sein Fahrzeug auch dann reparieren lassen darf, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs bis zu 30 % übersteigen. Hierdurch wird ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen des Geschädigten und des Schädigers bzw. dahinterstehenden Haftpflichtversicherers erreicht. Insbesondere wird vermieden, dass der Geschädigte mit Schwierigkeiten und Risiken konfrontiert ist, die mit der Ersatzbeschaffung verbunden sind. Dem Risiko eines Missbrauchs der 130-%-Rechtsprechung ist im Einzelfall Rechnung zu tragen. Dem Schädiger/Haftpflichtversicherer steht grundsätzlich ein Überprüfungsrecht hinsichtlich der vom Geschädigten geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu. Der Schädiger/Haftpflichtversicherer hat jedoch das Werkstatt- und Prognoserisiko zu tragen. Ein eventueller Streit über die Höhe der Reparaturkosten ist im Verhältnis zwischen Schädiger und Werkstatt bzw. Sachverständigem auszutragen. Sofern den Geschädigten kein Auswahl- oder Überwachungsverschulden trifft, kann sein Schadensersatzanspruch daher nicht wegen einer möglicherweise überhöhten Reparaturrechnung gekürzt werden. Der Geschädigte hat in der Regel eventuelle Ansprüche gegenüber der Werkstatt bzw. dem Sachverständigen abzutreten.
Im Hinblick auf die "Fahrtenbuchauflage – Halterhaftung durch die Hintertür" empfiehlt der Arbeitskreis eine Änderung des § 31a Abs. 1 StVZO durch den Verordnungsgeber. Der Arbeitskreis schlägt einvernehmlich vor, bindend bei erstmaligem punkterelevantem Verstoß dem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuchs anzudrohen, wenn der Verantwortliche trotz der gebotenen Ermittlungen nicht festgestellt werden konnte. Im Wiederholungsfall kann binnen 15 Monaten ab dem Tattag des zur Androhung führenden Verstoßes eine Fahrtenbuchauflage angeordnet werden (Ermessensentscheidung). Dies soll sicherstellen, dass die derzeit regional höchst unterschiedliche Anwendung der geltenden Norm künftig zu einer einheitlichen Anwendung der Vorschrift führen wird. Ergänzend sollte eine effiziente Durchführbarkeit sowie eine wirksame Kontrolle der Einhaltung der Fahrtenbuchauflage sichergestellt werden.
zfs 3/2023, S. 122