Zitat
II. Der mit Schreiben des Antragstellers vom 10.2.2022 erhobene "Widerspruch" war als Antrag auf gerichtliche Festsetzung seiner Sachverständigenvergütung i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG auszulegen.
Der Antrag ist zulässig, hat jedoch nur im tenorierten Umfang Erfolg.
Der gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG zur Festsetzung der Entschädigung des Antragstellers befugte Senat hält unter Anwendung der §§ 8, 9 JVEG den von der Kostenbeamtin bereits angewiesenen Betrag in Höhe von insgesamt 3.472,78 EUR für angemessen.
Im Einzelnen:
1. Die von dem Sachverständigen geforderte Entschädigung ist nach Auffassung des Gerichts hinsichtlich der Position "Aktenstudium" übersetzt. Insoweit sind lediglich 9 statt der in Rechnung gestellten 21,5 Stunden zu vergüten. Festzusetzen ist demnach für diese Position, unter Zugrundelegung des vom Antragsteller zutreffend gewählten Stundensatzes in Höhe von 115,00 EUR, ein Betrag in Höhe von 1.035,00 EUR netto.
Grundlage des hier zu beurteilenden Vergütungsanspruchs sind die §§ 8, 9, 12 JVEG. Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige neben dem Ersatz von Fahrtkosten und Entschädigung für sonstigen Aufwand (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 JVEG) für seine Leistung ein Honorar, das nach Stundensätzen zu bemessen ist. Die Höhe des Stundensatzes variiert je nach der Zugehörigkeit des Gutachtens zu einer bestimmten Honorargruppe (§ 9 Abs. 1 JVEG i.V.m. Anlage 1 zu § 9 Abs. 1). Das Honorar wird gemäß § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt.
In Ansatz gebracht werden kann nach der gesetzlichen Regelung nicht die tatsächlich aufgewendete, sondern nur die erforderliche Zeit. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist dabei als erforderlich nur derjenige Zeitaufwand anzusetzen, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen abgeben zu können. Dabei sind der Umfang des ihm unterbreiteten Streitstoffes, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang seines Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache angemessen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.12.2003 – X ZR 206/98 -, Rn 11, juris m.w.N., MDR 2004, 776).
Zwar darf das Gericht grundsätzlich davon ausgehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit als richtig anzunehmen sind. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Angaben des Sachverständigen jeglicher gerichtlicher Kontrolle entzogen sind. Vielmehr hat eine Plausibilitätsprüfung der Rechnung zu erfolgen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.9.2008 – 10 W 60/08, JurBüro 2009,205; OLG Brandenburg, Beschl. v. 4.3.2010, 6 W 168/09; OLG Nürnberg, Beschl. v. 4.3.2016 – 8 Wx 1657/15, MDR 2016, 215; OLG Braunschweig, Beschl. v. 10.4.2017 – 4 W 1/16, FamRZ 2018, 380; Toussaint/Weber, Kostenrecht, 52. Aufl. 2022, JVEG § 8 Rn 27). Anlass zur Nachprüfung besteht insbesondere dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint (OLG Brandenburg, Beschl. v. 4.3.2010, 6 W 168/09), die vorgelegte Zeiterfassung widersprüchlich oder unzureichend ist oder der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint und greifbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er außer jedem Verhältnis zu der tatsächlich erbrachten Leistung steht (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 8.7.2016, 6 WF 336/15, juris; BDZ/Binz, 5. Aufl. 2021, JVEG § 8 Rn 12). Dabei muss die Rechnung inhaltlich mehr ausweisen als nur die Endsumme der Gesamtvergütung. Um eine Nachprüfbarkeit zu gewährleisten, ist eine angemessene Aufschlüsselung der einzelnen Arbeitsabschnitte vorzunehmen und sind die jeweils darauf entfallenden Stunden und Minuten anzugeben, auch wenn das JVEG insoweit keine Vorgaben enthält (vgl. Toussaint/Weber, a.a.O., JVEG § 8 Rn 27). Die mitgeteilte Untergliederung des gesamten Zeitaufwands kann das Gericht anhand allgemeiner Erfahrungswerte einer Plausibilitätsprüfung unterziehen (vgl. LSG Baden-Württemberg Justiz 2005, 91). Erfolgt keine Untergliederung der einzelnen Arbeitsschritte, ist wegen der fehlenden Möglichkeit einer Plausibilitätsprüfung eine Vergütung nicht zu gewähren (vgl. LSG NRW 17.9.2015 – L 15 SB 183/15 B, BeckRS 2016, 72616). Ist die vorgelegte Zeiterfassung des Sachverständigen widersprüchlich oder unzureichend, kann das Gericht den Zeitaufwand schätzen und ggf. angemessen kürzen (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 10.07.2015, 6 W 11/15, NJW-Spezial 2015,750: OLG Brandenburg, Beschl. v. 4.10.2010, 11 W 24/10, BeckRS 2011, 14121; BDZ/Binz, a.a.O.).
Ausgehend von den dargelegten Maßstäben bestand für den Senat Anlass zur Nachprüfung, und zwar zum einen deshalb, weil der Antragsteller den von ihm angesetzten Zeitaufwand für das "Aktenstudium" unzureich...