[9] Die Bekl. hat mit der Einlegung des Einspruchs gegen den gegen ihren VN ergangenen Vollstreckungsbescheid in einem Parteiprozess eine Partei vertreten, obwohl sie dazu nicht gemäß § 79 Abs. 2 ZPO befugt war. Sie hat damit die Bestimmung des § 79 Abs. 2 ZPO – eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG – verletzt und ist gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet.
[10] I. Der Anwendung des Rechtsbruchtatbestands gemäß § 3a UWG steht nicht entgegen, dass nach Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken die Mitgliedstaaten den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Warenverkehr nicht aus Gründen einschränken dürfen, die mit dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich zusammenhängen. Nach Art. 3 Abs. 8 der Richtlinie 2005/29/EG bleiben alle spezifischen Regelungen für reglementierte Berufe unberührt, damit die strengen Integritätsstandards gewährleistet bleiben, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts auferlegen können. Dementsprechend ist die Anwendung des § 3a UWG auf berufsrechtliche Bestimmungen zulässig, die das Marktverhalten in unionsrechtskonformer Weise regeln (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2021, 1425 [juris Rn 15] …
Die in § 79 Abs. 2 ZPO geregelte Berechtigung, als Vertreter einer Partei in einem zivilprozessualen Parteiprozess tätig zu werden, normiert – ebenso wie die im Rechtsdienstleistungsgesetz für die außergerichtliche Tätigkeit getroffenen Bestimmungen (vgl. dazu BGH, GRUR 2021, 1425 Rn 15 – Vertragsdokumentengenerator) – den Umfang der Betätigung, die den Rechtsanwälten und damit Angehörigen eines zur Aufrechterhaltung eines strengen Integritätsstandards reglementierten Berufs vorbehalten ist (vgl. BeckOK.ZPO/Piekenbrock, 44. Edition [Stand 1.3.2022], § 79 Rn 2; Jacoby in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., 5 79 Rn 4).
[11] II. Die Bestimmung des § 79 Abs. 2 ZPO ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (…). Sie dient der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Partei im gerichtlichen Verfahren (BGH, GRUR 2011, 352 [juris Rn 17] – Makler als Vertreter im Zwangsversteigerungsverfahren) und ist daher geeignet, die Interessen der Verbraucher und der Mitbewerber spürbar zu beeinträchtigen.
[12] III. Die von der Bekl. für ihren VN vorgenommene Einlegung eines Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid verstößt gegen § 79 Abs. 2 ZPO.
[13] 1. Gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 ZPO können die Parteien einen Rechtsstreit selbst führen, wenn – wie im Streitfall – eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist (Parteiprozess). Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 ZPO können sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 ZPO sind darüber hinaus als Bevollmächtigte nur diejenigen Personen vertretungsbefugt, die in den Nummern 1 bis 4 dieser Bestimmung aufgeführt sind.
[14] 2. Das BG ist mit Recht davon ausgegangen, dass die Bestimmung des § 79 ZPO für die hier in Rede stehende Einlegung eines Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid gemäß § 700 ZPO maßgeblich ist. Diese Vorschrift ist Teil des im Buch 7 der Zivilprozessordnung geregelten Mahnverfahrens, welches in § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ZPO ausdrücklich erwähnt ist (vgl. Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl., § 79 Rn 2 …).
[15] 3. Das BG hat angenommen, die Bekl. sei nicht als Partei des Rechtsstreits gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Einlegung des Einspruchs berechtigt. Selbst wenn man die Abwehr von Forderungen gegen den VN als eigene Angelegenheit seiner Versicherung ansehen wollte, werde diese mit Blick auf den formalisierten Parteibegriff des Zivilprozessrechts nicht selbst zur Partei des Rechtsstreits. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Abweichendes macht auch die Revisionserwiderung nicht geltend.
[16] Die Frage, ob die Bekl. im Haftpflichtprozess zumindest auch eigene Angelegenheiten besorgt, ist zudem für die Frage unerheblich, ob sie gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 ZPO vertretungsbefugt ist. Allerdings hat der BGH unter Anwendung des § 157 ZPO in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 1933 (RGBI I 522) einen Haftpflichtversicherer im Haftpflichtprozess für befugt gehalten, den Versicherten vor dem Amtsgericht zu vertreten, weil der Haftpflichtversicherer bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Haftpflichtprozess nicht nur eine fremde, sondern zumindest auch eine eigene Angelegenheit wahrnimmt (BGHZ 38, 71 [juris Rn 12 f. und 23 bis 30]). Für die Beurteilung des Streitfalls lässt sich dieser Entscheidung indessen nichts entnehmen. Sie beruht auf der geänderten alten Gesetzesfassung, nach der die Vertretungsbefugnis im Unterschied zur heutigen Bestimmung des § 79 Abs. 2 ZPO von der Frage abhing, ob der Beistand fremde oder eigene Rechtsangelegenheiten besorgte (dazu BGHZ 38, 71 [juris Rn 12 bis 30]).
[17] 4. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des BG, die Bekl. sei als Haftpflichtversicherer ihrer im Mahnverfahren in Anspruch genommenen VN gemäß ...