StVO § 23 Abs. 1a, OWiG § 17 Abs. 3
Leitsatz
Das Gericht kann die Teilnahme des Betroffenen an einem Verkehrsunterricht oder einer Verkehrsberatung als Nachtatverhalten in angemessenem Umfang zu seinen Gunsten berücksichtigen, weil diese Teilnahme einen Anhaltspunkt dafür, dass der Betroffene bereits hinreichend für die Zukunft beeindruckt ist, darstellt. (Leitsatz der Redaktion)
AG Eilenburg, Urt. v. 29.9.2022 – 8 OWi 950 Js 67934/21
1 Sachverhalt
Der Betroffene ist irakischer Staatsangehöriger und verfügt in Deutschland über den subsidiären Schutz. Er ist geschieden und hat zwei Kinder, denen er zum Unterhalt verpflichtet ist. In beruflicher Hinsicht ist er bei DPD mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag als Paketzusteller angestellt. Daraus erzielt er ein monatliches Nettoeinkommen zwischen 1.000,00 und 1.200,00 EUR. Mit der Begehung von straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten ist der Betroffene bislang nicht in Erscheinung getreten. Der Betroffene befuhr als Führer eines Pkw Ford die D. Straße in Krostitz, wobei er wissentlich und willentlich ein Mobiltelefon in der rechten Hand hielt und darauf Tippbewegungen ausführte. Gegen ihn erging deshalb ein Bußgeldbescheid wegen verbotswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes. Nach Einspruch hat das AG Eilenburg ihn nun zu einer Geldbuße i.H.v. 55 EUR verurteilt.
2 Aus den Gründen:
[…] IV.
Mit der unter II. genannten Tat hat sich der Betroffene eines vorsätzlichen Verstoßes nach §§ 23 Abs. 1a, 49 StVO, 24 StVG, 246.1 BKat schuldig gemacht. Ausweislich des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs für Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten ist für eine solche Tat nach 246.1 BKat der Ausspruch einer Geldbuße von 100 EUR auch bei einem Ersttäter und angesichts dessen, dass die Katalognummer im Abschnitt II des Bußgeldkataloges aufgeführt ist, auch bei vorsätzlicher Verwirklichung vorgesehen.
Vom im Bußgeldbescheid verhängten Regelsatz ist hier zugunsten des Betroffenen gemäß § 17 Abs. 3 OWiG abzuweichen und eine tat- und schuldangemessene Geldbuße in Höhe von 55 EUR festzusetzen, da es sich im vorliegenden Fall zwar in tatbezogener, nicht aber in täterbezogener Hinsicht um einen Regelfall mit Regeltatumständen handelt.
Zugunsten des Betroffenen wertet das Gericht zunächst, dass der Betroffene trotz seiner Vielfahrereigenschaft als Berufskraftfahrer bei der DPD voreintragungsfrei ist. Weiterhin spricht zugunsten des Betroffenen, dass er seinen Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt hat, dem nach Auffassung des Gerichts Geständnisfiktion zukommt (vgl. nur OLG Stuttgart, Beschl. v. 30.1.2006 – 1 Ss 5/06 –, BeckRS 2006, 1865 zur Rechtsfolgenbeschränkung im Strafbefehlsverfahren; vgl. bereits AG Eilenburg, Beschl. v. 22.6.2020 – 8 OWi 950 Js 61954/19 –, juris). Die bereits darin zum Ausdruck kommende Einsicht des Betroffenen in sein straßenverkehrsordnungswidriges Verhalten hat der Betroffene ferner durch seine Teilnahme an einer dreistündigen Beratung bei einer amtlich anerkannten verkehrspsychologischen Beratungsstelle nachgewiesen und insoweit ein positives Nachtatverhalten gezeigt, was sich nach Auffassung des Gerichts deutlich zugunsten des Betroffenen auswirkt.
In der Rechtsprechung und in der juristischen Fachliteratur wird die Auffassung vertreten, dass das Gericht die Teilnahme an einem Verkehrsunterricht oder einer Verkehrsberatung als Nachtatverhalten des Betroffenen in angemessenem Umfang zu seinen Gunsten berücksichtigen kann, weil diese Teilnahme einen Anhaltspunkt dafür, dass der Betroffene bereits hinreichend für die Zukunft beeindruckt ist, darstellt (vgl. nur AG Bad Liebenwerda, Beschl. v. 5.9.2011 – 40 OWi 1611 Js – OWi 33550/10 (354/10) –, juris). Eine solche Teilnahme an einer derartigen Maßnahme mag in Kombination mit anderen Erwägungen nach Ansicht des BayObLG (vgl. BayObLG, Beschl. v. 5.7.1995 – 1 ObOWi 189/95 –, juris) in Ausnahmefällen gar zu einem Absehen vom Fahrverbot führen. Jedenfalls aber führt dies im vorliegenden Fall zu einer Verringerung des als Regelsatz vorgesehenen Bußgeldes, wobei die ausgesprochene Geldbuße in Höhe von 55,00 EUR nicht nur als tat- und schuldangemessen, sondern auch als verkehrserzieherisch geboten, aber auch ausreichend erachtet, um in Kombination mit der bereits durch den Betroffenen absolvierten verkehrspsychologischen Beratung hinreichend auf ihn einzuwirken.
Anders als die Staatsanwaltschaft meint, ist es nach Ansicht des Gerichts dabei unerheblich, ob die Schulungsmaßnahme von einem Betroffenen bzw. dessen Verteidiger von selbst in das Verfahren eingeführt wird und ggf. noch Überzeugungsarbeit bei den zuständigen Mitarbeitern der Verwaltungsbehörde bzw. dem zuständigen Richter zu leisten ist. Denn auch in Fällen wie hier, in denen der zuständige Richter einen Betroffenen darauf hinweist, dass die sonstigen Tatumstände geeignet erscheinen, bei zusätzlicher Absolvierung einer näher bezeichneten Verkehrsunterrichtsschulung oder verkehrspsychologischen Beratung auf eine Geldbuße unterhalb der Eintragungsgrenze im Fahreignungsregister zu erkennen, is...