VV RVG Vorbem. 3 Abs. 3, Nr. 3104; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2 § 243; ZPO § 91 Abs. 1 § 103 ff.
Leitsatz
1. Dem in der mündlichen Verhandlung vertretungsbereit anwesenden Verfahrensbevollmächtigten fällt eine Terminsgebühr auch dann an, wenn die Sache vom Gericht trotz zuvor erfolgter Antragsrücknahme aufgerufen worden ist, weil das Gericht von der Rücknahme keine Kenntnis hatte.
2. Ob sich diese Terminsgebühr nach dem Hauptsachewert oder nur nach dem Kostenwert berechnet, kann offenbleiben.
3. Die Terminsgebühr ist neben den angefallenen Terminsreisekosten erstattungsfähig, wenn weder dem zum Termin erschienenen Rechtsanwalt noch seinem Mandanten die Antragsrücknahme der Gegenseite bekannt war oder bekannt sein musste. (Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.5.2023 – 6 WF 53/23
1 Sachverhalt
Die volljährige Antragstellerin hatte vor dem AG Dieburg – FamG – den Antragsgegner auf Leistung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen. Das AG hatte Termin zur mündlichen Verhandlung für den 15.11.2022, 9:00 Uhr, bestimmt. Mit per besonderem elektronischen Anwaltspostfach übermitteltem und am 14.11.2022 um 11:52 Uhr elektronisch eingegangenem Schriftsatz hatte die Antragstellerin ihren Antrag wieder zurückgenommen. Am Terminstag hatte die zuständige Familienrichterin die Sache aufgerufen. Zum Verhandlungstermin war nur die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners erschienen. Der Schriftsatz vom 14.11.2022 wurde der Richterin erst nach Ende des Termins zur mündlichen Verhandlung vorgelegt. Mit Beschl. v. 24.11.2022 hat das AG die Kosten des Verfahrens nach § 243 FamFG der Antragstellerin auferlegt.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Antragsgegner die Festsetzung seiner außergerichtlichen Kosten beantragt, darunter eine aus dem Kosteninteresse berechnete 1,2 Terminsgebühr und Reisekosten zum Verhandlungstermin.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts – soweit hier von Interesse – als von der Antragstellerin zu erstattende Kosten eine aus dem Kostenwert berechnete 1,2 Terminsgebühr und Reisekosten nebst Umsatzsteuer festgesetzt.
Mit ihrer hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat die Antragstellerin geltend gemacht, im Hinblick auf die erfolgte Klagerücknahme sei ein Erscheinen der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners zum Terminstag nicht erforderlich gewesen. Es könne nicht zulasten der Antragstellerin gehen, dass das maßgebliche Schriftstück der zuständigen Richterin erst nach dem Termin vorgelegt wurde. Eine Aufhebung des Termins nach Eingang des Schriftsatzes und telefonische Abladung der Beteiligten sei aufgrund des Zeitpunkts des Eingangs des Antragsrücknahmeschriftsatzes 21 Stunden vor dem angesetzten Verhandlungstermin möglich gewesen, so dass dann weder die Terminsgebühr noch die Terminsreisekosten entstanden wären.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen mit dem Hinweis, es sei nicht sicher, dass eine Terminsaufhebung rechtszeitig hätte erfolgen können. Im Übrigen habe die Antragstellervertreterin die Möglichkeit gehabt, selbst zu versuchen, die Antragsgegnervertreterin und die Richterin telefonisch zu informieren.
2 Aus den Gründen: II. …
…“ Die gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 104 Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen gemäß §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Für die Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ist eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG angefallen. Die Terminsgebühr in Zivilverfahren entsteht nach Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG für die Vertretung in einem der dort aufgeführten Termine, wenn dieser stattfindet, worüber das Gericht entscheidet (vgl. BGH, Beschl. v. 12.10.2010 – VIII ZB 16/10, Rn 10, juris). Vorliegend war die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers nach Beginn des Termins durch Aufruf der Sache (vgl. BGH, Beschl. v. 12. 10.2010 – VIII ZB 16/10, Rn 10, juris, AGS 2010, 527 = RVGreport 2011, 63 (Hansens)) im Termin vertretungsbereit für ihren Mandanten anwesend (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 3. 2. 2021 – 8 W 343/19, Rn.4, juris, AGS 2021, 167 (N. Schneider)). Darauf, ob verhandelt wurde, d.h. Anträge gestellt wurden, kommt es seit der mit dem 2. KostRMoG erfolgten Änderung der maßgeblichen Bestimmungen nicht mehr an (vgl. HK-RVG/Hans-Jochem Mayer, 8. Aufl. 2021, RVG VV 3104 Rn 6). Auch wenn – wie hier – die Sache trotz Klagerücknahme aufgerufen wird, weil das Gericht von der Rücknahme keine Kenntnis hatte, ist die Sache aufgerufen und die Terminsgebühr entsteht (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, VV Vorbem. 3 Rn 85; Hansens RVGreport 2020, 225 (226)).
Im Übrigen würde eine Terminsgebühr auch entstehen, wenn das Gericht Kenntnis von der Rücknahme hat, den Termin aber dennoch nicht aufhebt. Zwar kann bei Klagerücknahme die Aufhebung eines Termins veranlasst sein (vgl. Feskorn in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 227 Rn 1). Die Aufhebung des Termins ist aber weder rein deklaratorisch (a.A. BeckOK ZPO/Jaspersen, 48. Ed. 1.3.2023, ZPO § 227 Rn 3) noch zwingend (a.A. wohl MüKoZPO/Stackma...