Der Aufwendungsersatzanspruch nach § 110 SGB VII durch die Sozialversicherungsträger bedeutet eine Durchbrechung des Haftungsprivilegs. Anders als in § 116 SGB X handelt es sich bei § 110 SGB VII nicht um einen gesetzlichen Forderungsübergang, sondern um einen originären Anspruch des Sozialversicherungsträgers auf Ersatz seiner unfallbedingten Aufwendungen. Ansprüche nach § 116 SGB X und § 110 SGB VII schließen sich gegenseitig immer aus.
Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 110 SGB VII ist das Vorliegen eines haftungsprivilegierten Arbeitsunfalls nach den Vorschriften der §§ 104 ff. SGB VII. In den §§ 104 ff. SGB VII ist ausdrücklich geregelt, dass ein Forderungsübergang nach § 116 SGB X nicht stattfindet.
Weitere Anwendungsvoraussetzungen ist die vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls. Relevant für die Regulierung ist in erster Linie die Frage, ob der Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt wurde. Wurde der Versicherungsfall demgegenüber vorsätzlich herbeigeführt, so besteht von vornherein kein Versicherungsschutz für den Schädiger. Der Vorsatz umfasst auch hier den doppelten Vorsatz. Ausreichend ist bedingter Vorsatz.
Grobe Fahrlässigkeit bedeutet eine objektiv schwere, ungewöhnlich krasse Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, also ein Fehlverhalten, das auch subjektiv nicht entschuldbar ist und den gewöhnlichen Umfang erheblich übersteigt. Grob fahrlässig handelt, wer das unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten können.
Die Beweislast obliegt grundsätzlich dem Sozialversicherungsträger. Die subjektive Vorwerfbarkeit muss konkret nachgewiesen werden, der Anscheinsbeweis ist insoweit nicht zugelassen. Ein schwerwiegender objektiver Pflichtenverstoß kann aber den Schluss auf ein auch subjektiv gesteigertes Verschulden nahelegen. In der Praxis ist an dieser Stelle die Grenze zwischen Beweislast des Sozialversicherungsträgers und faktischem Anscheinsbeweis schmal. Die Gerichte lassen sich oftmals – vorschnell – dazu hinreißen, aus dem schwerwiegenden objektiven Pflichtverstoß auch auf ein subjektiv gesteigertes Verschulden zu schließen.
Im Rahmen des § 110 SGB VII haftet der Schädiger "den Sozialversicherungsträgern für die infolge des Versicherungsfalls entstandenen Aufwendungen, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs". Der Umfang des Anspruchs umfasst somit den gesamten zivilrechtlichen Schaden, d.h. zum einen den materiellen Schadensersatz, zum anderen muss aber auch der immaterielle Schadensersatz (das fiktive Schmerzensgeld) berücksichtigt werden. Ein Mitverschulden des Geschädigten ist ebenfalls zu berücksichtigen, ebenso Kürzungen wie beispielsweise berufsbedingte Mehraufwendungen.
Arbeitsunfälle frühzeitig zu erkennen, bzw. in Betracht zu ziehen ist daher aufgrund der erheblichen Konsequenzen für alle Beteiligten notwendiges Handwerkszeug zur Regulierung von Personenschäden.
Autor: RA Florian Hilbert, FA für Medizinrecht und für Versicherungsrecht, Hannover
zfs 3/2024, S. 124 - 127