Einführung
Die Frage, ob es sich bei einem Schadensereignis möglicherweise um einen Arbeitsunfall i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII handelt, wird sowohl in der Regulierung, als auch in Gerichtsverfahren häufig übersehen. Dabei sind die Auswirkungen eines Arbeitsunfalles sowohl für den Geschädigten, als auch für den Schädiger von erheblicher Bedeutung. Insbesondere die Grauzonen zu erkennen, hilft daher bei der Regulierung.
I. Wozu führt der Arbeitsunfall?
Der Arbeitsunfall führt für den Geschädigten dazu, dass zunächst einmal die Berufsgenossenschaft für sämtliche unfallrelevanten Leistungen zuständig ist. Daraus folgt beispielsweise die alleinige Zuständigkeit für:
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Bessere/umfassendere Heilbehandlung |
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Verletztengeld, Übergangsgeld |
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Unfallrente |
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Leistungen zur beruflichen und sozialen Teilhabe |
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Hinterbliebenenversorgung |
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Pflegegeld |
Insofern obliegt es auch dem Anwalt auf Aktivseite, entsprechende Unfälle zu erkennen und den Mandanten umfassend, auch im Hinblick auf mögliche Leistungen durch die Berufsgenossenschaft, aufzuklären. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Unfallversicherer bietet eine weitaus bessere Absicherung als die üblichen Systeme zur sozialen Sicherung.
Des Weiteren führt der Arbeitsunfall zur sogenannten Haftungsersetzung gemäß §§ 104 ff. SGB VII. Dieser Punkt ist sowohl für Anwälte auf Aktivseite als auch für Anwälte auf Passivseite durchaus relevant. So gilt es für den Anwalt auf Aktivseite zu erkennen, in welchen Fällen die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger von vornherein ausgeschlossen ist.
Für den Anwalt auf Passivseite ist es dagegen von entscheidender Bedeutung, zu erkennen, in welchen Fällen er die Haftungsprivilegierung nach §§ 104 ff. SGB VII gegenüber dem Schädiger einwenden kann.
II. Versicherter Personenkreis
Der versicherte Personenkreis ist im Wesentlichen in § 2 SGB VII aufgeführt. Hinzu kommen gemäß § 3 SGB VII noch die Versicherten kraft Satzung sowie gemäß § 6 SGB VII die freiwillig Versicherten.
Während die versicherten Personen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 17 SGB VII gut abgrenzbar sind, führt § 2 Abs. 2 SGB VII regelmäßig zu Schwierigkeiten in der Regulierung. Insofern ist die Frage wann jemand "Wie-Beschäftigte(r)" i.S.d. § 2 Abs. 2 SGB VII ist, von absolut praxisrelevanter Bedeutung.
III. Abgrenzung Wegeunfall – Betriebswegeunfall
Insbesondere bei Unfällen im Straßenverkehr muss zwischen dem Wegeunfall und dem Betriebswegeunfall unterschieden werden. Der Wegeunfall ist in § 8 Abs. 2 SGB VII geregelt. Vereinfacht gesagt handelt es sich bei dem Wegeunfall um einen Unfall von zu Hause oder einem dritten Ort zum Arbeitgeber oder einer auswärtigen Arbeitsstelle. Ein dritter Ort wird allerdings erst dann zu einem zur berücksichtigenden dritten Ort, wenn der Aufenthalt dort mindestens zwei Stunden betragen hat.
Der Wegeunfall ist kein klassischer Arbeitsunfall. Er steht jedoch aufgrund gesetzlicher Anordnung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Für den Geschädigten bedeutet der Wegeunfall, dass dieser einerseits Anspruch auf den vollen Leistungsumfang der gesetzlichen Unfallversicherung hat, andererseits seine Schadensersatzansprüche gegenüber dem Schädiger nicht im Rahmen der Haftungsprivilegierung nach §§ 104 ff. SGB VII verliert.
Neben dem einfachen Weg zur Arbeit umfasst der Wegeunfall auch gewisse Umwege. Diese sind in § 8 Abs. 2 Nr. 2–5 SGB VII geregelt und betreffen insbesondere Umwege, um Kinder zur Schule oder in anderweitige Betreuung zu bringen.
Der Betriebswegeunfall stellt dagegen einen klassischen Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII dar. Dabei handelt es sich typischerweise um einen Weg während der Arbeit, beispielsweise vom Arbeitgeber zu einer auswärtigen Baustelle. Während diese Unterscheidung früher verhältnismäßig einfach war, führen auch hier veränderte Arbeitsbedingungen dazu, dass man im Einzelfall genauer hinschauen muss. So sind heute auch Konstellationen denkbar, in denen zunächst im Home Office gearbeitet wird und sodann von dort aus der Weg zu einer auswärtigen Arbeitsstelle angetreten wird. Da auch der Arbeitsplatz im Homeoffice als Teil des Betriebes angesehen wird, handelt es sich in dieser Konstellation eben nicht um einen Wegeunfall, sondern bereits um einen Betriebswegeunfall i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB VII.
IV. "Wie-Beschäftigung"
Die "Wie-Beschäftigung" ist in § 2 Abs. 2 SGB VII geregelt. Demnach stehen auch solche Personen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung an, die wie Versicherte tätig werden. Voraussetzung dafür ist, dass die durchgeführte Tätigkeit einen wirtschaftlichen Wert hat, dass es sich um eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und ihrer Art typischerweise von Arbeitsnehmern verrichtet wird. Dabei ist insbesondere die Frage danach, ob die Handlung eher eigenen oder fremden Interessen dient, von Bedeutung. Hier entscheiden oft nur Nuancen darüber, ob eine Haftungsprivilegierung infolge einer "Wi...