BGB § 304 § 677 § 683 S. 1 i.V.m. § 670 § 823 Abs. 2 i.V.m. § 858 Abs. 1
Leitsatz
1. Zu den nach den Vorschriften der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs zählen auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Verwahrung des Fahrzeugs im Anschluss an den Abschleppvorgang entstehen. Das gilt aber nur bis zu einem Herausgabeverlangen des Halters. Ein konkurrierender deliktischer Anspruch wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes reicht im Ergebnis nicht weiter. (Rn.15)
2. Es kommt ein Anspruch auf Ersatz von Verwahrkosten nach § 304 BGB in Betracht, wenn der das Fahrzeug herausverlangende Halter nicht bereit ist, im Gegenzug die für das Abschleppen und die Verwahrung angefallenen ortsüblichen Kosten zu zahlen und der Abschleppunternehmer daraufhin die Herausgabe des Fahrzeugs verweigert, so dass der Halter in Annahmeverzug gerät. (Rn.41)
BGH, Urt. v. 17.11.2023 – V ZR 192/22
1 Sachverhalt
[1] Der auf den Kläger zugelassene Pkw wurde von dessen Schwester am 6.10.2020 im Innenhof eines privaten Gebäudekomplexes abgestellt, der von der Streithelferin verwaltet wird. An der Hofeinfahrt war ein Parkverbotsschild mit dem Zusatz "gilt im gesamten Innenhof" angebracht. Am 8.10.2020 beauftragte die Streithelferin die Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte), das Fahrzeug abzuschleppen, es anschließend zu verwahren und vor Wertminderung sowie unbefugtem Zugriff Dritter zu sichern. Die Beklagte verbrachte das Fahrzeug noch am selben Tag auf ihr Firmengelände. Am 13.10.2020 forderte der Kläger von der Beklagten schriftlich unter Fristsetzung bis zum 15.10.2020 die Herausgabe des Fahrzeugs. Auf das Schreiben erfolgte keine Reaktion.
[2] Mit seiner Klage hat der Kläger von den Beklagten zunächst die Herausgabe seines Fahrzeugs verlangt. Nach erfolgter Herausgabe während des Prozesses haben die Parteien die Herausgabeklage übereinstimmend für erledigt erklärt. Nicht mehr im Streit steht auch der mit der Widerklage verlangte Ersatz der Abschleppkosten. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Widerklage der Beklagten insoweit, als diese aus abgetretenem Recht der Streithelferin Standkosten für den Zeitraum vom 8.10.2020 bis zum 2.9.2021 in Höhe von insgesamt 4.935 EUR (15 EUR pro Tag der Verwahrung) nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht (LG Dresden, Urt. v. 11.1.2022 – 3 O 2470/21) hat der Widerklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht (OLG Dresden, Urt. v. 15.9.2022 – 8 U 328/22), hat das Urteil abgeändert und unter Abweisung der Widerklage im Übrigen lediglich für die ersten fünf Tage der Verwahrung 75 EUR nebst Zinsen zugesprochen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils in Bezug auf die Verurteilung des Klägers zu der Zahlung von Verwahrkosten. Der Kläger verfolgt mit seiner Anschlussrevision den Antrag auf vollständige Abweisung der Widerklage weiter. Die Parteien beantragen jeweils die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.
2 Aus den Gründen:
[3] I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung u.a. in MDR 2023, 294 veröffentlicht ist, hat die Beklagte gegen den Kläger aus abgetretenem Recht der Streithelferin trotz Besitzstörung keinen Anspruch auf Ersatz der Verwahrkosten gemäß § 823 Abs. 2 i.V.m. § 858 Abs. 1 BGB. Zwar sei § 858 Abs. 1 BGB ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Ersatzfähig seien jedoch nur die für die Beseitigung der Störung anfallenden Kosten. Die von der Streithelferin beauftragte Verwahrung diene diesem Zweck nicht.
[4] Demgegenüber habe die Beklagte gegen den Kläger unter dem Gesichtspunkt der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677, § 683 Satz 1 i.V.m. § 670 BGB) einen Anspruch auf Ersatz der Verwahrkosten, der sich allerdings auf die Zeit bis zu dem Verlangen nach Herausgabe des Fahrzeugs beschränke. Deshalb ergebe sich nur für die ersten fünf Tage der Verwahrung ein täglicher Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von 15 EUR. Das unbefugte Abstellen eines Fahrzeugs auf einem Privatgrundstück stelle eine Besitzstörung dar und begründe eine verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB), für die neben dem Fahrer auch der Halter des Fahrzeugs verantwortlich sei. Beauftrage ein Grundstücksbesitzer – hier durch die Streithelferin als Verwalterin – das Abschleppen des Fahrzeugs, so handele er auch im fremden Rechtskreis und damit als Fremdgeschäftsführer i.S.v. § 677 BGB. Das Entfernen und Umsetzen des Fahrzeugs, zu dem die Grundstücksbesitzerin im Wege der Selbsthilfe gemäß § 859 Abs. 1, Abs. 3 BGB berechtigt gewesen sei, erweise sich für den Kläger als vorteilhaft und entspreche dessen Interesse, da er von seiner Verpflichtung zur Beseitigung der Störung gemäß § 862 Abs. 1 Satz 1 BGB frei geworden sei. Demgegenüber sei die Verwahrung des Fahrzeugs zu der Beseitigung der Besitzstörung nicht erforderlich gewesen und habe daher auch nicht der Erfüllung einer Verpflichtung des Klägers gedient. Die sichere Verwahrung des Wagen...