I. Einführung
Der BGH hatte in dem sog. Porschefall die Frage zu beantworten, ob ein Geschädigter bei fiktiver Abrechnung eines Reparaturschadens Reparaturkosten geltend machen kann, die in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen würden. Nach Auffassung des Schädigers bzw. seines Kfz-Haftpflichtversicherers seien bei fiktiver Abrechnung nur Reparaturkosten auf Grundlage mittlerer Stundenverrechnungssätze aller freien und markengebundenen Werkstätten der Region erstattungsfähig. Der BGH entschied den Streitfall und veröffentlichte folgenden amtlichen Leitsatz:
Der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, darf der Schadensberechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen. Der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region repräsentiert als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag.
Die Entscheidung wurde seitens der Anwaltschaft, bei der es sich ganz überwiegend um Interessenvertreter der Geschädigten handelt, sehr begrüßt. Es wurde gar von einem "schwarzen Dienstag" für die Versicherungswirtschaft gesprochen.
Wer nun angesichts der präzisen Aussage und schnörkellosen Klarheit des Leitsatzes der Entscheidung, der auch von einem juristischen Laien nicht falsch verstanden werden kann, davon ausgegangen war, der Streitfall sei nunmehr ohne wenn und aber erledigt, sah sich getäuscht. Er hatte nicht mit der Kreativität der Kfz-Haftpflichtversicherer bei der Auslegung höchstrichterlicher Entscheidungen gerechnet, die selbst eine derartig klare Niederlage in einen – jedenfalls zwischenzeitlichen – Sieg zu verwandeln vermag.
II. Aktuelle Regulierungspraxis
Einige Zeit nach dem Porsche-Urteil begannen Kfz-Haftpflichtversicherer zunächst in bescheidenem Umfang und versuchsweise regional die fiktive Abrechnung des Geschädigten unter Hinweis auf kostengünstigere nicht markengebundene Werkstätten zu kürzen. Es wurden sog. "Partnerwerkstätten" oder später – weniger verdächtig – "Referenzwerkstätten" am Ort benannt, welche die Reparatur mit Original-Ersatzteilen angeblich gleichwertig ausführen könnten. Diese "Referenzwerkstätten" kalkulierten die Reparaturkosten mit Stundenverrechnungssätzen, die in der Regel noch unter dem Mittelwert aller freien und markengebundenen Werkstätten lagen. Diese Regulierungspraxis breitete sich in der Folge bundesweit – auch mithilfe einiger Instanzgerichte – auf immer mehr Versicherer und mit immer weniger bescheidenen Kürzungen aus. Nach und nach etablierte sich so eine Situation, die für den Geschädigten sogar noch schlechter war als vor der Grundsatzentscheidung des BGH im "Porsche-Fall", denn die Stundenverrechnungssätze lagen nun unter dem Durchschnitt aller freien und markengebundenen Werkstätten der Region. Die Versicherer hatten es fertiggebracht, die schmerzhaft klare Entscheidung des BGH "umzudrehen" und in der außergerichtlichen Regulierung einen wirtschaftlichen Vorteil von erheblichem Ausmaß daraus zu ziehen.
Anknüpfungspunkt ist hierbei ein einziger Satz in der Entscheidung des BGH:
Zwar kann dem Berufungsgericht vom Ansatz her in der Auffassung beigetreten werden, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss.
Danach heißt es allerdings:
Doch hat das Berufungsgericht die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür nicht festgestellt. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil haben die Beklagten weder bestritten, dass die vom Sachverständigen angesetzten Stundenverrechnungssätze bei einer Reparatur in einer Porsche-Vertragswerkstatt tatsächlich anfielen noch haben sie gravierende Mängel des Sachverständigengutachtens gerügt. Unter diesen Umständen muss sich die Klägerin auf die abstrakte Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fremdwerkstatt auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nicht verweisen lassen.
Obwohl auch der letztgenannte Satz von bestechender Klarheit ist, konzentrierte sich die Diskussion auf den ersten Satz, der eigentlich nur eine schadensrechtliche Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringt: Ein Geschädigter muss grundsätzlich unter mehreren zum vollständigen Schadensausgleich führenden Möglichkeiten der Naturalrestitution diejenige auswählen, die den geringsten Aufwand erfordert. Dieses Wirtschaftlichkeitspostulat findet seinen gesetzlichen Niederschlag in dem Tatbestand der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, ergibt sich letztlich aber aus dem Begriff des Schadens selbst. Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt vom Geschädigten allerdings nicht, zugunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte.
Hieraus abzuleiten, der Geschädigte müsse sich auf die Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Werksta...