StPO § 261 § 267
Leitsatz
Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG Hamm in dessen Beschl. v. 15.4.2008 (NStZ-RR 2008, 287 f.) an seiner bisherigen Rechtssprechung fest, wonach Angaben zur Merkmalshäufigkeit erforderlich sind.
(Leitsatz des Einsenders)
Thüringer OLG, Beschl. v. 30.9.2008 – 1 Ss 187/08
Sachverhalt
Das AG hat gegen den Betroffenen mit Urt. v. 7.5.2008 wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 49 km/h eine Geldbuße von 100 EUR und ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hebt das OLG das Urteil des AG mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf und verweist die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das AG zurück.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „… II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch einen – vorläufigen – Erfolg.
Das Urteil unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil die Beweiswürdigung bezüglich der Fahrereigenschaft des Betroffenen unvollständig ist.
Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich dem Tatgericht vorbehalten und demnach einer inhaltlichen Prüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen. Die Beweiswürdigung ist jedoch dann zu beanstanden, wenn sie Lücken, Widersprüche, Unklarheiten oder Verstöße gegen Denkgesetze, gefestigte Erfahrungswerte oder gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse enthält (KK-Schureit, StPO, 5. Aufl., § 261, Rn 51).
Vorliegend erweist sich die Darstellung der Beweiswürdigung als lückenhaft.
Die Urteilsgründe ermöglichen nämlich dem Senat nicht die Kontrolle, ob die Feststellung, dass der Betroffene die gegenständliche Tat begangen hat, rechtsfehlerfrei getroffen worden ist.
Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass das AG zur Identifizierung des Betroffenen die Sachverständige Dr. F vernommen hat.
Den Urteilsgründen ist nicht hinreichend zu entnehmen, aus welchen Gründen das AG den Ausführungen der Sachverständigen Dr. F gefolgt und deshalb zur Überzeugung von der Fahreigenschaft der Betroffenen gelangt ist.
Der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und diesem Beweisbedeutung beimisst, muss auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen anschließt, die Ausführungen des Sachverständigen in einer, wenn auch nur gedrängten, zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen wiedergeben, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (BGH NStZ 1991, 596; NStZ 2000, 106, 107; OLG Celle, NZV 2002, 472; Senatsbeschluss vom 14.11.2005, Az.: 1 Ss 217/05).
Bei einem anthropologischen Identitätsgutachten handelt es sich nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode, bei welcher sich die Darstellung im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränken kann (BGH a.a.O.). Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung der gedanklichen Schlüssigkeit des Gutachtens und seines Beweiswertes zu ermöglichen, bedarf es daher über die Aufzählung der mit dem Foto übereinstimmenden morphologischen Merkmalsprägungen des Betroffenen hinausgehender Angaben (Senat a.a.O. m.w.N.). Nur so kann der sich hieran anknüpfende Schluss des Sachverständigen, ein Dritter sei auf Grund dieser Übereinstimmungen als Fahrer im Tatzeitpunkt praktisch ausgeschlossen, nachvollzogen werden.
Das AG teilt zwar die Merkmale, die die Sachverständige isolieren konnte, und die angewandte Untersuchungsmethode mit. Jedoch sind dem Urteil keine Angaben zum Verbreitungsgrad der verschiedenen Merkmalsprägungen, d.h. zu deren Häufigkeit oder Seltenheit zu entnehmen.
Denn es mag Merkmale geben, die bei einem hohen Anteil der Bevölkerung vorhanden sind, und andere, die nur äußerst selten vorkommen. Um dies beurteilen zu können, muss eine Untersuchung entweder auf biostatisches Vergleichsmaterial oder auf mehr oder weniger genaue Anhaltswerte zurückgreifen, wobei letztere allerdings a priori den Beweiswert der Wahrscheinlichkeitsaussage ganz erheblich schmälern (vgl. BGH NStZ 2000, 106, 107). Entsprechend wäre es auch geboten gewesen, dass der Tatrichter mitteilt, worauf der Sachverständige seine Wahrscheinlichkeitsberechnung gestützt hat. Je nach Häufigkeit des Vorkommens in der – richtig abgegrenzten – Bevölkerung kommt dem Vorhandensein einzelner Merkmale nämlich eine höhere Beweisbedeutung zu als anderen (OLG Celle, a.a.O.). Dies wird vor allem dann relevant, wenn es nicht nur Übereinstimmungen, sondern auch Abweichungen gegeben hat und sich die Frage stellt, ob angesichts dieser Abweichung(en) die Wahrscheinlichkeitsaussage einer Relativierung bedarf. Zur Beweisbedeutung der einzelnen Merkmalsprägungen – allein oder ggf. in Kombination mit anderen festgestellten Merkmalen – ist in den Urteilsgründen indes nichts ausgeführt. Es ist auch nicht erörtert worden, ob neben den Übereinstimmungen auch Abweichungen vom Sachverständigen festgestellt und ggf. wie diese bewertet wurden.
Der Senat hält insoweit auch unter Berücksichtigung de...