GG Art. 2 Abs. 1; MRK Art. 6 Art. 1 S. 1; StVG §§ 24, 25 Abs. 1 S. 1; BKatV § 4 Abs. 2 S. 2
Leitsatz
1. Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet dem Betr. im Ordnungswidrigkeitenverfahren ebenso wie dem Beschuldigten im Strafverfahren das Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren, welches das Recht auf Durchführung des Verfahrens in angemessener Zeit einschließt. Bei Vorliegen eines mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehenden überlangen Verfahrens sind die Gerichte zu sorgfältiger Prüfung verpflichtet, ob und mit welchen Mitteln der Staat gegen den Betroffenen (noch) ordnungswidrigkeitenrechtlich vorgehen kann. Regelmäßig sind deshalb Art und Umfang der Verletzung des Beschleunigungsgebots ausdrücklich festzustellen und das Ausmaß der Berücksichtigung näher zu bestimmen (Anschluss an BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2.7.2003 – 2 BvR 273/03 und OLG Düsseldorf NZV 2008, 534).
2. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung kann auch auf den Bestand, die Dauer oder die konkrete Ausgestaltung eines bußgeldrechtlichen Fahrverbots Auswirkungen haben. Allerdings wird allein in einer von der Justiz zu verantwortenden Verfahrensverzögerung von sieben Monaten ohne das Hinzutreten sonstiger den Betroffenen mit der Dauer des Verfahrens besonders belastender Umstände regelmäßig noch kein zur Abkürzung oder zum Wegfall eines verwirkten Fahrverbots, zur Ermäßigung des festgesetzten Bußgeldes oder zu einer Einstellung des Verfahrens zwingender Konventionsverstoß i.S.v. Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK zu erblicken sein.
3. Die Notwendigkeit einer etwaigen Kompensation auf Rechtsfolgenebene wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen ist von den Gerichten selbstständig festzustellen und auszusprechen. Eine entsprechende Heranziehung der auf den Wegfall des Sanktionszweck abhebenden Rspr. zur Frage des Absehens vom Fahrverbot infolge Zeitablaufs scheidet auch in zeitlicher Hinsicht aus.
(Gerichtlich autorisierte Leitsätze)
OLG Bamberg, Beschl. v. 4.12.2008 – 3 Ss OWi 1386/08
Sachverhalt
Das AG hat den Betr. am 4.5.2007 wegen einer am 29.3.2006 außerhalb und einer am 18.9.2006 innerhalb geschlossener Ortschaften jeweils fahrlässig begangenen Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 39 km/h bzw. um 18 km/h, im letzten Fall in Tateinheit mit einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit der unerlaubten Nutzung eines Mobiltelefons zu Geldbußen von 150 EUR und 35 EUR verurteilt. Wegen der Tat vom 29.3.2006 hat das AG gegen den Betr. in Übereinstimmung mit dem insoweit ergangenen Bußgeldbescheid vom 11.4.2006 zusätzlich ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes gem. §§ 24, 25 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 26 a StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV verhängt. Mit seiner ausdrücklich auf die Verurteilung wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung vom 29.3.2006 und insoweit weiter auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde, mit welcher sich der Betr. gegen die Verhängung des Fahrverbots wendet, rügt der Betr. die Verletzung sachlichen Rechts.
Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „ … 1. Das AG hat die Notwendigkeit eines Fahrverbots zutreffend mit dem Vorliegen eines Regelfalls eines beharrlichen Pflichtenverstoßes i.S.d. §§ 24, 25 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 26 a StVG i.V.m. mit § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV begründet, nachdem der Betr. nach den Urteilsfeststellungen u.a. am 23.9.2005 wegen einer am 4.9.2004 begangenen fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h zu einer Geldbuße von 50 EUR sowie einem Fahrverbot für die Dauer eines Monats rechtskräftig verteilt worden ist. Mit der verfahrensgegenständlichen Tat vom 29.3.2006 hat der Betr. damit innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Vorahndung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h, nämlich um 38 km/h, begangen.
2. Gründe, die ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.
a) Insbesondere hat sich das AG in der gebotenen Weise mit den persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Folgen eines Fahrverbots für den als Inhaber einer Zeitarbeitsfirma selbstständig tätigen und in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Betr. auseinander gesetzt und damit dem mit Verfassungsrang ausgestatteten rechtsstaatlichen Übermaßverbot hinreichend Rechnung getragen. Gründe dafür, warum für den Betr. als Inhaber eines Betriebes mit 46 Mitarbeitern für die Dauer eines Monats die Vorhaltung eines Fahrers "unzumutbar" sein sollte, werden selbst von der Rechtsbeschwerde nicht plausibel vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich; entsprechendes gilt, soweit die Rechtsbeschwerde zusätzlich vorbringt, die Pflege des an Alterskrankheiten leidenden Vaters des Betr. könne für die Dauer eines Monats nicht ausschließlich von der (mitbetreuenden) Schwester des Betr., etwa unter Zuhilfenahme eines privaten Pflegedienstes, geleistet werden.
b) Schließlich scheidet auch ein Wegfall oder eine Abkü...