Zur Entscheidung des EuGH v. 17.4.2008 vgl. zfs 2008, 508.
Der BGH hatte in der Begründung seines Vorlagebeschlusses unter Heranziehung deutschen Rechts eine korrigierende Auslegung abgelehnt, dass die nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte gewollte Rechtsfolge der Nutzungsvergütung entfalle (NJW 2006, 3200). Die Entscheidung des EuGH ermöglichte eine solche Korrektur. Angesichts der zahlreichen nach Art. 249 III EGV umgesetzten europäischen Richtlinien (zu den europäischen Elementen im deutschen Zivilrecht vgl. Wiedmann/Gebauer, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kapitel 1 Rn 1 – 3) ist eine für den nationalen Zivilrechtler ungewohnte Konstellation entstanden. Zwei Normtexte sind erkennbar, der nationale, den der Zivilrechtler seiner Entscheidung in erster Linie zugrund legen wird und der jeweilige Normtext der europäischen Richtlinie, der direkte Wirkung nicht beansprucht (vgl. Jarass/Beljin, JZ 2003, 768, 772), aber in deutsches Recht umzusetzen war (Art. 249 III EGV), wobei die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung eine Loyalitätspflicht trifft (Art. 10 EGV). Die "Verdoppelung der Normtexte" (Gebauer, AnwBl 2007, 314, 315) begründet für den nationalen Rechtsanwender die Pflicht, das nationale Recht im "Licht der Richtlinie" (Gebauer, a.a.O.) zu lesen. Der Entscheidung des BGH lag die Gestaltung zu Grunde, dass die Richtlinie nicht zutreffend umgesetzt gewesen ist. Wurde nach dem deutschen Recht – ohne Berücksichtigung des abweichenden intendierten Ziels der Richtlinie – entschieden, wäre Staatshaftung bei einem hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß begründet (vgl. Schulze, in: Gebauer/Wiedmann, a.a.O., Kapitel 16 Rn 266 ff. m.w.N.). Das wird dann vermieden, wenn die richtlinienkonforme Rechtsfortbildung nationalen Rechts zur europarechtlich "zutreffenden" Entscheidung führt. Dass die richtlinienkonforme Auslegung als "Auslegung" im europarechtlichen Sinne bezeichnet wird, schließt bei der Anwendung des nationalen Rechts die von dem BGH entwickelte Rechtsfortbildung nicht aus. Der Begriff der "Auslegung" im europäischen Recht ist autonom, abweichend von dem Begriffsverständnis der nationalen Rechte zu verstehen (vgl. EuGH NJW 2002, 3159).
Ist eine fehlerhafte Umsetzung von Richtlinien anzunehmen, kann die Korrektur künftig im Wege der Rechtsfortbildung erfolgen. Von dem Willen des deutschen Gesetzgebers die Richtlinie vollständig umzusetzen, ist auf Grund der Art. 249 Abs. 3, 10 EGV auszugehen. Damit liegt eine planwidrige Lücke vor, die im Wege der Rechtsfortbildung geschlossen werden kann.
RiOLG Heinz Diehl, Frankfurt am Main