Richtlinie 2006/126/EG Art. 8 Abs. 4, Art. 13 Abs. 2, Art. 18
Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG (3. Führerscheinrichtlinie) ist jedenfalls für ab dem 19.1.2009 erteilte ausländische Fahrerlaubnisse anwendbar.
Nach Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG kommt es für die Befugnis, EU-ausländischen Fahrerlaubnissen für das Bundesgebiet die Anerkennung zu versagen, nicht mehr auf einen Verstoß gegen das Erfordernis eines Wohnsitzes im Ausstellerstaat an.
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 20.1.2010 – 16 B 814/09
Dem Antragsteller ist im Jahr 2004 durch das Strafgericht die Fahrerlaubnis entzogen worden, nachdem er mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,24 Promille ein Kfz geführt hatte. Im Jahr darauf wurde er erneut auffällig, diesmal wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Ende Januar 2009 erwarb der Antragsteller in Polen eine EU-Fahrerlaubnis. Nachdem dies dem Antragsgegner im Februar 2009 bekannt geworden und eine Anfrage bei der polnischen Fahrerlaubnisbehörde ohne Reaktion geblieben war, stellte der Antragsgegner mit Ordnungsverfügung fest, dass die polnische Fahrerlaubnis den Antragsteller nicht berechtige, Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland zu führen. Den zusammen mit der Klageerhebung gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung lehnte das VG [VG Minden – 12 L 220/09] ab. Die dagegen vom Antragsteller erhobene Beschwerde hat das OVG zurückgewiesen.
Aus den Gründen:
“Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung durch den Senat führt zu keinem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis.
Die Annahme des VG, dass die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners offensichtlich rechtmäßig sei und schon deshalb das öffentliche Vollzugsinteresse den Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers am sofortigen Gebrauchmachen von seiner polnischen Fahrerlaubnis beanspruchen könne, ist nicht zu beanstanden. Wie vom VG zutreffend ausgeführt und vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogen, liegen die innerstaatlichen Voraussetzungen dafür vor, der polnischen Fahrerlaubnis des Antragstellers im Inland die Anerkennung zu versagen. Ebenso spricht alles dafür, dieser Fahrerlaubnis die Gültigkeit auch nach europäischem Gemeinschaftsrecht abzusprechen. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob sich aus der vom Antragsteller vorgelegten Bescheinigung des Landratsamtes T. vom 17.4.2009 nur ein vorläufiger Aufenthalt in Polen und damit ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. e i.V.m. Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein ergibt. Ein solcher Verstoß ist jedenfalls seit dem Inkrafttreten der maßgebenden Vorschrift des Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG am 19.1.2009 keine Voraussetzung mehr für die Befugnis inländischer Behörden, einem ausländischen EU-Führerschein für das Bundesgebiet die Anerkennung zu versagen.
Zunächst ist trotz der missverständlichen Vorschrift des Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG, auf die auch der Antragsteller hinweist, schon jetzt von der Anwendbarkeit des Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG auszugehen. Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG sieht vor, dass eine vor dem 19.1.2013 erteilte Fahrerlaubnis auf Grund der Bestimmungen dieser Richtlinie weder entzogen noch in irgendeiner Weise eingeschränkt werden darf. Gegen die Anwendung dieser allgemeinen Regelung spricht aber zum einen, dass das Inkrafttreten u.a. des Art. 11 Abs. 4 in Art. 18 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG eine spezielle und von Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie abweichende Regelung erfahren hat; danach gilt Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG bereits ab dem 19.1.2009. Zum anderen betrifft Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG keinen Fall der Entziehung oder einer anderen einschränkenden Maßnahme im Sinne (etwa) des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG ("Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis"), sondern die davon zu unterscheidende, in Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG nicht genannte innerstaatliche Nichtanerkennung einer ansonsten wirksamen Fahrerlaubnis (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.2008 – 3 C 26.07 –, BVerwGE 132, 315 = NJW 2009, 1689 = NZV 2009, 307; Bayer. VGH, Beschl. v. 26.2.2009 – 11 C 09.296 –, juris, Rn 47; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 7.4.2009 – 10 S 3320/08 –, veröffentlicht bei www.verkehrslexikon.de; Thoms, DAR 2007, 287 (288), Hailbronner/Thoms, NJW 2007, 1089 (1093); Morgenstern, NZV 2008, 425 (429); Geiger, DAR 2009, 61 (62); Janker, DAR 2009, 181 (184); Mosbacher/Gräfe, NJW 2009, 801 (803 f.); anders noch Geiger, DAR 2007, 126 (128), und Schünemann/Schünemann, DAR 2007, 382 (385)).
Ob darüber hinaus aus Erwägungsgrund 5 der Richtlinie 2006/126/EG, nach der vor dem Beginn der Anwendung dieser Richtlinie erteilte oder erworbene Fahrerlaubnisse unberührt bleiben...