Einmal im Jahr wird Goslar zum Nabel der (Verkehrsrechts-)Welt. Auch in diesem Jahr war die idyllische Mittelalterstadt im Harz wieder Gastgeber des Deutschen Verkehrsgerichtstags. Mehr als 1.600 Verkehrsrechtsexperten nahmen vom 26. bis 28.1.2011 am 49. Verkehrsgerichtstag teil. Der seit 1963 jährlich stattfindende Verkehrsgerichtstag ist die einflussreichste und bedeutendste Konferenz im Bereich des Verkehrsrechts und befasst sich mit allen Bereichen der Verkehrswissenschaft. Teilnehmer sind neben Verkehrsjuristen aus Justiz, Anwaltschaft, Wissenschaft und Versicherungswirtschaft insbesondere Experten für Verkehrstechnik, Verkehrssicherheit und Fahrzeugtechnik sowie Vertreter der Polizei und Automobilindustrie.
Die Empfehlungen des Verkehrsgerichtstags, die in verschiedenen Arbeitskreisen nach regen Erörterungen und Diskussionen verabschiedet werden, haben bundesweite Akzeptanz und Relevanz und finden Berücksichtigung in einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen.
Der Verkehrsgerichtstag zeichnet sich neben Fachvorträgen und Erörterungen in Arbeitskreisen, welche aufgrund der Expertendichte allerhöchstes Niveau erreichen, aber gerade auch durch das Flair der beschaulichen mittelalterlichen Stadt aus. Vor und nach den Arbeitskreisen werden in zahlreichen Lokalen, Bars und Restaurants der Stadt Interessen ausgetauscht, Kontakte geknüpft und oft jahrelange Bekanntschaften gepflegt.
Mit dem die Öffentlichkeit und die Medien am meisten interessierenden Thema hatte sich in diesem Jahr sicherlich der Arbeitskreis V zu beschäftigen. Denn wer kennt das Problem nicht: ein mit 60 km/h auf der Landstraße fahrender Lkw? Dies ist nicht nur für nachfolgende Verkehrsteilnehmer ärgerlich, sondern stellt ein Verkehrshindernis dar und provoziert zu gefährlichen Überholmanövern. Zukünftig soll nach den Empfehlungen des Arbeitskreises V das Tempolimit für Lkws ab 7,5 t auf 80 km/h erhöht werden.
Auch der Arbeitskreis II hatte sich mit einem äußerst praxisrelevanten Thema, den "Tücken des Kraftfahrzeug-Leasings" zu beschäftigen. Mehr als 4.500 Leasingnehmer werden jedes Jahr bei der Rückgabe des Fahrzeugs mit dem Problem des "vertragsgemäßen Zustands" konfrontiert. Vielfach entscheiden die Händler nach "Gutsherrenart", ob das zurückgegebene Fahrzeug dem vertragsgemäßen Zustand entspricht oder ob eine Ausgleichzahlung für diverse Kratzer und Dellen gezahlt werden muss. Der Arbeitskreis II fordert daher zum Schutz des Leasingnehmers eine konkrete Festlegung verbindlicher Vorgaben zur Beschaffenheit bei Rückgabe des Fahrzeugs bei Vertragsschluss anhand eines transparenten Kriterienkatalogs.
Ein weiteres wichtiges Thema behandelte Arbeitskreis I mit "Drogendelikte im Verkehr". Der Anstieg der Fahrten unter Wirkung berauschender Mittel konnte in den letzten Jahren trotz Neufassung des § 24a Abs. 2 StVG und der damit verbunhden Erfassung von Fahrten unter Drogen ohne konkrete Ausfallerscheinungen leider nicht gestoppt werden. Der Arbeitskreis I appelliert daher an die Rechtsprechung, die Vorschrift des § 24a StVG nicht durch zu enge Auslegung der Fahrlässigkeit leer laufen zu lassen. Die für die Verkehrssicherheit zuständigen Institutionen sollen nach Willen des Arbeitskreises die Aufklärungsarbeit zu den Gefahren von "Drogenfahrten", den Wirkungen von Drogen und rechtliche Konsequenzen intensivieren. Potenzielle Verkehrsteilnehmer sollen schon in der Fahrschule für das Problem sensibilisiert werden.
Im nächsten Jahr, wenn der 50. Deutsche Verkehrsgerichtstag stattfindet, werden wieder viele Verkehrsrechtsexperten nach Goslar reisen und durch wegweisende Empfehlungen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Verkehrsrechtsrechtsprechung aber auch der Verkehrssicherheit nehmen. Man darf schon jetzt gespannt sein auf die sicherlich wieder höchst interessanten und vor allem praxisrelevanten Themen der Jubiläumsveranstaltung. Der Termin steht schon fest: 25. bis 27. Januar 2012!