Es stellt sich die Frage, ob anlehnend an die aktuelle Rechtsprechung des BGH zum § 315b StGB für die Fälle des Unterlassens der Beseitigung von Gegenständen auf der Fahrbahn die Bestimmung anzuwenden ist. Wie schon festgestellt ist es so, dass keine aktuelle Rechtsprechung zu § 315b StGB bezüglich des "Unterlassen" veröffentlicht ist, dies insbesondere nicht mehr seit der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2003.
Da es in erster Linie um Außeneingriffe geht, verlorene Ladung bzw. Fahrzeugteile aber in der StVO geregelt sind, könnte eine analoge Anwendung greifen. Es ist nicht so, dass das Fehlverhalten toleriert wird. In der StVO wird das Fehlverhalten sanktioniert. Kommt es zu einem Personenschaden, ist zumindest von einer fahrlässigen Körperverletzung auszugehen.
Das Liegenlassen der Gegenstände, dazu ist schon mal erforderlich, dass man es bemerkt, wenn Ladung verloren wird, ist ein Verstoß gegen § 32 StVO. Jetzt müsste man, anlehnend an die Rechtsprechung des BGH, in Kauf nehmen, dass ein Schaden passiert, ein pflichtwidriges Daraufvertrauen, dass der Schaden nicht eintritt, kann allenfalls als bewusst fahrlässig angesehen werden. Bezüglich des Unterschiedes zwischen der bewussten Fahrlässigkeit und des bedingten Vorsatzes führt der BGH aus:
"Die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit unterscheiden sich lediglich darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintreten des schädlichen Erfolgs in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder dass er sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet."
Mit dem Wissen oder "Wissenmüssen" von der generellen Gefährlichkeit seines Verhaltens ist nicht gesagt, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert, dass er sich innerlich mit ihm abgefunden hat. Auch wenn es bei dem Sachverhalt um Schüsse aus einem Fenster auf einen Kaugummiautomaten ging und eine zufällig vorbei kommende Person getroffen wurde, dürfte die Aussage des BGH zu dem Unterschied der bewussten Fahrlässigkeit und zum bedingten Vorsatz auch hierbei von Bedeutung sein.
Denn bei Fahrzeugteilen, die auf der Fahrbahn zurück bleiben, ist es möglich, dass man sich zwar über die Gefährlichkeit bewusst ist, dass aber auch ein Schaden vom "normalen" Verkehrsteilnehmer in Kauf genommen wird, darf bezweifelt werden.
Folgt man jedoch der Argumentation des OLG Celle, dass durch das Liegenlassen ein neuer Sachverhalt entsteht, auch wenn dieser in der StVO geregelt ist, dürfte § 315b StGB weiterhin auch für diese Fälle Anwendung finden.
Bezüglich einer konkreten Gefahr hat der BGH sich in zurückliegender Zeit bezogen auf § 315b StGB ebenfalls deutlich geäußert. In einem Fall ging es um Schüsse auf ein Fahrzeug. Der BGH führt dazu aus:
" … Eine konkrete Gefahr im Sinne eines “Beinahe-Unfalls‘ hat das LG zu Recht nicht angenommen, da weder das Fahrverhalten noch die Fahrsicherheit des Zeugen W. durch die Schüsse in irgendeiner Weise beeinträchtigt worden sind. Aber auch die Beschädigung des Kraftfahrzeuges durch die einschlagenden Projektile rechtfertigt hier entgegen der Auffassung des LG nicht die Annahme einer vollendeten Tat nach § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB. Denn dieser Sachschaden steht in keinem relevanten Zusammenhang mit der Eigendynamik der Fahrzeuge zum Tatzeitpunkt, sondern ist ausschließlich auf die durch die Pistolenschüsse freigesetzte Dynamik der auftreffenden Projektile zurückzuführen. Er ist somit keine spezifische Folge des Eingriffs in die Sicherheit des Straßenverkehrs und muss daher bei der Bestimmung eines “bedeutenden‘ Sachschadens bzw. einer entsprechenden Gefährdung außer Betracht bleiben. … "
In einer weiteren Entscheidung bzgl. provozierter Verkehrsunfälle führt der BGH aus:
" … Es sind daher stets zwei Prüfschritte erforderlich, zu denen im Strafurteil entsprechende Feststellungen zu treffen sind. Zunächst ist zu fragen, ob es sich bei der gefährdeten Sache um eine solche von bedeutendem Wert handelt, was etwa bei älteren oder bereits vorgeschädigten Fahrzeugen fraglich sein kann. Handelt es sich um eine Sache von bedeutendem Wert, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob ihr auch ein bedeutender Schaden gedroht hat, wobei ein tatsächlich entstandener Schaden geringer sein kann als der maßgebliche Gefährdungsschaden. Der Wert der Sache ist hierbei nach dem Verkehrswert, die Höhe des (drohenden) Schadens nach der am Marktwert zu messenden Wertminderung zu berechnen."