BGB § 123; VVG a.F. § 5a
Leitsatz
1. Eine als "Vertragsangebot" bezeichnete Übersendung des Versicherungsscheins auf eine "Versicherungsanfrage" hin, mit der der Versicherungsvertrag als abgeschlossen gelten soll, wenn kein fristgemäßer Widerspruch erfolgt, löst keine neue Obliegenheit zur Angabe gefahrerheblicher Umstände aus.
2. Was dem empfangsbevollmächtigten Versicherungsagenten mit Bezug auf die Antragstellung gesagt und vorgelegt wird, ist dem Versicherer gesagt und vorgelegt worden.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 24.11.2010 – IV ZR 252/08
Sachverhalt
Der Kl. verlangt von der Bekl. Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, die er im Jahre 2001 i.V.m. einer Kapitallebensversicherung abschloss. Am 18.3.2001 unterzeichnete der Kl. ein Formular der Bekl., das wie folgt überschrieben ist:
"Anfrage: Ich wünsche (Wir wünschen) ein Angebot zum Abschluss einer Lebens-/Rentenversicherung".
In der Rubrik "Vertragsabschluss/Widerspruchsrecht/Rücktrittsrecht" heißt es:
"Die [Bekl.] erstellt mir (uns) auf der Grundlage dieser Anfrage und der Angaben zum Gesundheitszustand der zu versichernden Person(en) ein schriftliches Vertragsangebot (Versicherungsschein).
Der Vertrag gilt mit Aushändigung dieses Angebots und bei Vorliegen der schriftlich gegebenen gesetzlichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn ich (wir) dem Vertragsabschluss nicht innerhalb eines Monats nach Aushändigung widerspreche(n) … “
Die Bekl. übersandte dem Kl. den Versicherungsschein und bat ihn in ihrem "Policenbegleitschreiben" vom 19.3.2001, die beigefügten Unterlagen zu überprüfen und sie "bei Unvollständigkeit oder Abweichungen von den bei der Anfrage gemachten Angaben" umgehend zu informieren. Beigefügt war eine Anlage mit "Angaben zur versicherten Person", die den Gesundheitszustand des Kl. betrafen. Sie soll der Kl. unrichtig beantwortet haben, worauf die Bekl. die Anfechtung stützt.
2 Aus den Gründen:
[17] "… 1. Als rechtsfehlerhaft erweist sich die Überzeugung des BG, der Kl. habe die Bekl. arglistig getäuscht, indem er ihr die Behandlungen wegen Rückenbeschwerden verschwiegen habe.
[18] a) Eine arglistige Täuschung durch Unterlassen kann entgegen der Auffassung des BG nicht darin liegen, dass der Kl. auf die in dem Schreiben der Bekl. v. 19.3.2001 enthaltene Aufforderung, sie über etwaige Unrichtigkeiten der Angaben zum Gesundheitszustand zu informieren, nicht reagierte.
[19] aa) Die arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Falsche Angaben in einem Versicherungsantrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht; einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer Antragsfrage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers einzuwirken, gibt es nicht (Senat VersR 2007, 785 Rn 8 m.w.N.). In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts garnicht oder nur zu anderen Konditionen annehmen werde … Weiterhin muss die arglistige Täuschung für die Willenserklärung des Versicherers kausal geworden sein …
[20] bb) Schon der Ansatz des BG ist verfehlt. Es hat nicht beachtet, dass der Kl. auf die Entscheidung der Bekl. keinen Einfluss mehr nehmen konnte, als er den Versicherungsschein nebst “Policenbegleitschreiben’ vom 19.3.2001 erhielt. Mit Übersendung des Versicherungsscheins hatte die Bekl. alles getan, was von ihrer Seite für das Zustandekommen des Versicherungsvertrages erforderlich war.
[21] Auch wenn in dem von dem Kl. unterzeichneten Formular von einer “Anfrage’ und einem daraufhin von der Bekl. zu erstellenden “Vertragsangebot’ die Rede ist, belegt die Beschreibung des Zustandekommens des Vertrages, dass damit der Antrag des Versicherungsnehmers und dessen Annahme durch die Bekl. gemeint sind. Nur so ergibt es einen Sinn, wenn es in der “Anfrage’ heißt, dass der Vertrag als abgeschlossen gilt, wenn der “Anfragesteller’ dem Vertragsschluss nach Erhalt der Police und der Verbraucherinformation nicht innerhalb eines Monats widerspricht.
[22] Das entspricht im Wesentlichen dem sog. Policenmodell gem. § 5a VVG a.F. Dieses war dadurch gekennzeichnet, dass der Antragsteller zunächst das von ihm unterzeichnete Antragsformular an den Versicherer übermittelte und dieser dem Versicherungsnehmer die AVB und die weitere Verbraucherinformation erst zusammen mit der Police zukommen ließ. Widersprach der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich, so galt der Vertrag auf der Grundlage der AVB und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen (§ 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F...