Nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechte-VO ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen dann nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
Es stellt sich in diesem Zusammenhang zunächst die Frage, welche Annullierungsgründe überhaupt einen zur Entlastung des Luftfahrtunternehmens führenden "außergewöhnlichen Umstand" darstellen können.
Außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung sind allenfalls Probleme, welche auf Vorkommnisse zurückgehen, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind. Als "außergewöhnlicher Umstand" kann ein technisches Problem nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann angesehen werden, wenn es seine Ursache in einem der im Erwägungsgrund 14 der Verordnung genannten Umstände hat, z.B. auf versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Angriffen beruht. Dies ist von dem Luftfahrtunternehmen darzulegen.
Nach dem Wortlaut von Erwägungsgrund 14 Satz 2 der Verordnung können außergewöhnliche Umstände eintreten insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und einem den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streik.
Vor dem Hintergrund der zahlreichen Flugstornierungen wegen der isländischen Vulkanasche-Wolke im Jahr 2010 entschied das Amtsgericht Rüsselsheim mit Urteil vom 11.1.2011, dass dem Reisenden bei einer Annullierung wegen "außergewöhnlicher Umstände" zwar keine Ausgleichsansprüche (also pauschale Ausgleichszahlungen), wohl aber Unterstützungsleistungen (Flugpreiserstattung oder anderweitige Beförderung sowie Betreuungsleistungen) zustehen. Im konkreten Fall waren die Reisenden nach mehrtägiger Rückreiseverzögerung zu einem völlig falschen Flughafen geflogen worden. Dort fühlte sich die Fluggesellschaft dann nicht mehr verantwortlich, weshalb sich die Reisenden schließlich Bahntickets für die Fahrt zurück zum Heimatort kaufen mussten. Das AG Rüsselsheim sprach den Reisenden im Ergebnis die Kosten für die Bahntickets und auch Verpflegungskosten zu.
Ob fehlendes Enteisungsmittel einen das Luftfahrtunternehmen entlastenden außergewöhnlichen Umstand darstellt, ist noch nicht abschließend geklärt. Ein Richter des AG Königs Wusterhausen vertrat dazu die Ansicht, dass der Flughafenbetreiber selbstständig für den reibungslosen Betrieb des Flughafens Sorge zu leisten habe. Ein Unternehmen, das vom Flughafenbetreiber mit der Bereitstellung von Enteisungsmitteln betraut ist, sei kein Erfüllungsgehilfe des Luftfahrtunternehmens. Daher könne sich das Luftfahrtunternehmen entlasten. Zum gegenteiligen – wohl zutreffenden – Ergebnis kommt ein anderer Richter desselben Gerichts. Es liegt im alleinigen Verantwortungsbereich des Luftfahrtunternehmens, das Fluggerät technisch in einem flugbereiten Zustand zu halten und die Beförderung der Fluggäste zum vereinbarten Zeitpunkt zu ermöglichen. Wenn das Luftfahrtunternehmen diese Aufgabe – aus Kostengründen – an Dritte delegiert, muss sich das Luftfahrtunternehmen deren Versagen vollumfänglich zurechnen lassen. Wenn das Subunternehmen die erforderlichen Mengen von Enteisungsmitteln nicht frühzeitig bestellt und/oder bevorratet, unterliegt dies dem alleinigen Risiko des beauftragenden Luftfahrtunternehmens.
Beschädigungen des Flugzeugs beim Be- und Entladen sind keine "außergewöhnlichen Umstände", da die Be- und Entladevorgänge eines Flugzeugs Teil der normalen Ausübung eines Luftfahrtunternehmens und von diesem zu beherrschen sind.
Versucht ein Luftfahrtunternehmen die "außergewöhnlichen Umstände" damit zu begründen, dass die vorgesehene Besatzung nach einem verspäteten Flug eine Mindestruhezeit einhalten musste, so muss das Luftfahrtunternehmen zumindest darlegen, warum keine Ersatz-Besatzung zur Verfügung stand.
Will sich ein Luftfahrtunternehmen nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung entlasten, muss es darlegen, dass sich die Verspätung auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Wenn es beispielsweise schon zwei Tage vor dem planmäßigen Abflug von dem Problem mit dem für den Umlauf vorgesehenen Flugzeug Kenntnis hatte, so muss das Luftfahrtunternehmen darlegen, warum es nicht zumutbar war, ein anderes (eigenes oder gechartertes) Ersatzflugzeug einzusetzen.
Der EuGH urteilte am 12.5.2011 in einem aus Lettland eingereichten Vorabentscheidungsverfahren über die Reichweite der dem Luftfahrtunternehmen zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung einer Annullierung. Nach Ansicht des EuGH muss das Luftfahrtunternehmen die mit dem etwaigen Eintritt außergewöhnlicher Ums...