Zum großen, finalen Paukenschlag des Jahres 2011 holte der EuGH dann im Oktober aus. Mit seinem Urteil vom 13.10.2011 hat der EuGH die Rechte der Passagiere im Luftverkehr erneut deutlich gestärkt. Der aktuellen Entscheidung lag ein Vorlagebeschluss des Handelsgerichts in Pontevedra (Spanien) zugrunde. Die dortigen Kläger hatten jeweils einen Flug von Paris ins spanische Vigo gebucht. Das Flugzeug startete zwar planmäßig, kehrte aber kurz darauf wegen eines technischen Problems zum Startflughafen zurück. Die Fluggäste wurden auf andere Flüge am folgenden Tag umgebucht – nur einem der Kläger wurden während der Wartezeit Betreuungsleistungen von der Fluggesellschaft angeboten. Ein Teil der Fluggäste wurde am Folgetag zu allem Überfluss sogar noch zu einem falschen Flughafen weiterbefördert und musste dann von dort (auf eigene Kosten) ein Taxi zum eigentlichen Zielort Vigo nehmen. Die Kläger forderten jeweils 250 EUR als Ausgleichszahlung für die Flugannullierung, daneben die Erstattung von Auslagen für die am Flughafen während der Wartezeit selbst bezahlten Mahlzeiten, die Erstattung der Taxikosten sowie den Ersatz des immateriellen Schadens in unterschiedlicher Höhe. Gemäß Art. 1 lit. l) der Verordnung bezeichnet der Ausdruck "Annullierung" die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war. Der EuGH hat nun entschieden, dass auch solche Fälle als Annullierung anzusehen sind, in welchen ein Flugzeug zwar zunächst startet, dann aber zum Ausgangsflughafen zurückkehren muss. Abgestellt wird auf die individuelle Situation jedes einzelnen Fluggastes. Wird der Fluggast auf einen anderen Flug umgebucht, so gilt der ursprüngliche Flug für ihn als annulliert. Weiter stellt der EuGH klar, dass unter bestimmten Voraussetzungen neben den (standardisierten und sofortigen) Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen ergänzend auch ein "weitergehender Schadensersatz" für den wegen der Nichtbeförderung entstandenen materiellen und immateriellen Schaden gewährt werden kann. Nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 der Verordnung gilt die Verordnung unbeschadet eines weitergehenden Schadensersatzanspruchs des Fluggastes. Der Begriff "weitergehender Schadensersatz" in Art. 12 der Verordnung ist nach Ansicht des EuGH dahin auszulegen, dass nationale Gerichte die Möglichkeit haben, unter den Voraussetzungen des Übereinkommens von Montreal oder des nationalen Rechts Ersatz für den wegen der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrages entstandenen Schaden, einschließlich des immateriellen Schadens, zu gewähren. Dadurch können die Gerichte zukünftig also auch die persönlichen Nachteile für den einzelnen Reisenden kompensieren. Der Anspruch auf Kostenerstattung wegen der Verletzung von Unterstützungs- und Betreuungspflichten (Taxi zum eigentlichen Zielflughafen, Mahlzeiten etc.) gilt jedoch nicht als "weitergehender Schadensersatz", da er sich schon unmittelbar aus der Verordnung selbst ergibt. Damit wurden die streitgegenständlichen Vorlagefragen letztlich zugunsten der Fluggäste beantwortet.