BGB § 276; JVEG § 4 § 8; ZPO § 406 § 413
Leitsatz
Ein grob fahrlässiges, zum Entfallen des Entschädigungsanspruchs führendes Verhalten des erfolgreich abgelehnten (medizinischen) Sachverständen kann darin liegen, dass er das mit der inhaltlichen Klärung der Beweisfrage in keinem Zusammenhang stehende Verhalten des Prozessbevollmächtigten einer Partei unsachlich würdigt oder sich vorwurfsvoll zur Lebensführung einer Prozesspartei äußert, ohne hierzu Feststellungen getroffen zu haben.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 8.9.2011 – 8 U 2204/08
Sachverhalt
Der Sachverständige erstellte in einem Zivilprozess ein medizinisches Gutachten und wurde danach wegen Besorgnis der Befangenheit erfolgreich abgelehnt. Grundlage hierfür waren folgende Formulierungen in dem Gutachten:
"Um dieses Überengagement des Klägervertreters auf den Boden der Tatsachen zu holen, darf festgestellt werden, dass …" In seinem Gutachten aus dem Jahre 2011 führte er aus, "dass der Kl. nach wie vor in keinster Weise die bereits am 7.1.2008 von uns empfohlenen Maßnahmen zur Verbesserung seines Gesundheitszustandes in Angriff genommen hat. Als Mindestmaßnahme hatten wir die Gewichtsreduktion empfohlen, … Insofern ist die Angabe des Kl. bei der internistischen Begutachtung, dass er versuche auf “ausgewogene und gesunde Ernährung zu achten' eher als Lippenbekenntnis zu verstehen, denn eine Konsequenz ist bis heute in keinster Weise nachvollziehbar". Der Sachverständige hatte die Befunderhebung im Jahre 2007 durchgeführt, sodass ihm Erkenntnisse über die Lebensführung des Kl. nach diesem Zeitpunkt bis zur Erstattung des Gutachtens nicht vorlagen. Das Ablehnungsgesuch hatte Erfolg. Die Bezirksrevisorin hat die Rückzahlung der an den Sachverständigen ausgezahlten Vergütung begehrt und einen Antrag auf Festsetzung der Sachverständigen-Entschädigung verfolgt.
Der Antrag hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"Über den Antrag der Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse auf Festsetzung der Sachverständigen-Entschädigung ist durch gerichtlichen Beschl. zu entscheiden (§ 4 Abs. 1 S. 1 JVEG)."
Zuständig ist das Gericht, von dem der Berechtigte herangezogen worden ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG).
Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (§ 4 Abs. 7 S. 1 JVEG). Eine Übertragung des Verfahrens auf den Senat ist nicht geboten, da die Sache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist noch die Rechtssache grds. Bedeutung hat (§ 4 Abs. 7 S. 2 JVEG).
Der Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung über die Festsetzung der Entschädigung ist auch nicht deshalb der Boden entzogen, weil durch die Tätigkeit der Geschäftsstellenmitarbeiterin bereits eine konkludente gerichtliche Festsetzung erfolgt ist (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 26.10.2007 – 2 W 102/07, BauR 2008, 562). Hier hat die Kostenbeamtin die Rechnung des Sachverständigen offenbar geprüft, auf der Rechnung handschriftliche Korrekturen (Übertragungsfehler, Kleinbetrag) vermerkt, und sodann die Kosten angewiesen. Hierin liegt aber keine gerichtliche Festsetzung i.S.d. § 4 Abs. 1 JVEG. Nach § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 JVEG hat die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschl. zu erfolgen. Eine derartige Festsetzung ist bislang noch nicht erfolgt. Eine etwaige vorangegangene oder noch laufende Festsetzung durch den Kostenbeamten wird dadurch wirkungslos (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl. 2010, § 4 JVEG Rn 12 m.w.N.).
4. Für den Entschädigungsanspruch des gerichtlich bestellten Sachverständigen ist nach der grundlegenden Entscheidung des BGH v. 15.12.1975 (X ZR 52/73, NJW 1976, 1154) von Folgendem auszugehen:
Sachverständige erhalten gem. § 413 ZPO eine Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG, gültig ab 1.7.2004). § 8 Abs. 1 JVEG bestimmt, dass Sachverständige für ihre Leistung entschädigt werden.
Das Gesetz enthält keine Regelung darüber, ob der Sachverständige auch dann zu entschädigen ist, wenn er, zum Beispiel durch seine Ablehnung wegen Befangenheit, die Unverwertbarkeit des von ihm erstatteten Gutachtens verursacht hat.
Die Anwendung bürgerlichrechtlicher Bestimmungen, etwa des Dienst- oder Werkvertrages, auf diesen Fall kommt nicht in Betracht, weil die bürgerlichrechtlichen Regelungen über Leistungsstörungen oder Mängelhaftung nicht auf den Fall zugeschnitten sind, dass die Leistungen in Erfüllung einer staatsbürgerlichen Pflicht erbracht werden, der sich bestimmte Personen bei der Pflicht zur Erstattung eines Gutachtens nicht entziehen können (vgl. § 407 ZPO).
Eine Regelung kann deshalb nur in allgemeinen Rechtsgrundsätzen gefunden werden, die dem Verhältnis des Sachverständigen zum Gericht und den Belangen einer geordneten Rechtspflege gebührend Rechnung tragen.
Es wird in der Praxis allgemein abgelehnt, dem Sachverständigen auch in den Fällen einen Entschädigungsanspruch zuzubilligen, in denen er die Unverwertbarkeit des erstatteten Gutachtens bewusst herbeigeführt hat, beispielsweise weil er sich im Prozess bewusst parteiisch verhalten hat un...