"… . Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betr. (§ 79 Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 OWiG) hat mit der ordnungsgemäß ausgeführten Verfahrensrüge, das AG habe den Einspruch zu Unrecht nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen und damit den Anspruch des Betr. auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, einen vorläufigen Erfolg."
Wird der Einspruch des Betr. – wie hier – nach § 74 Abs. 2 OWiG wegen Ausbleibens in der Hauptverhandlung ohne Verhandlung zur Sache verworfen, so ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn über einen rechtzeitig gestellten Antrag, den Betr. von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, zu Unrecht nicht entschieden worden ist (vgl. OLG Bamberg, 2. Senat für Bußgeldsachen, Beschl. v. 30.10.2007 – 2 Ss OWi 1409/07, 1 Ss OWi 1409/07, zitiert nach juris; KK-OWIG/Senge, 3. Aufl. § 73 Rn 36 m.w.N.).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach dem durch den Akteninhalt bestätigten Vorbringen zur Rechtsbeschwerde hat der Betr. über seinen Verteidiger bereits mit Schriftsatz v. 6.9.2011 zur Begründung seines Entbindungsantrags vortragen lassen, dass er das im Bußgeldbescheid genannte Fahrzeug zur Tatzeit geführt habe und im Übrigen in der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch mache. An den Entbindungsantrag hat er mit weiterem Schriftsatz v. 26.10.2011 erinnert und seinen Antrag vorsorglich wiederholt.
Bei dieser Sachlage durfte die Bußgeldrichterin, weil von der persönlichen Anwesenheit des Betr. in der Hauptverhandlung kein weiterer Beitrag zur Sachaufklärung zu erwarten war, weder auf dem Erscheinen des zur Aussage nicht bereiten Betr. bestehen noch dessen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gem. § 74 Abs. 2 OWiG verwerfen (vgl. dazu näher Beschl. des Senats v. 12.10.1999 – 1 Ss 195/99, NZV 2000, 304 = DAR 2000, 86 = VRS 98, 215 [= zfs 1999, 537] und v. 23.6.2008 – 1 Ss 92/08, zitiert nach juris). Insb. ist nicht ersichtlich, inwieweit eine umfassende Würdigung der Persönlichkeit bei einem nicht zur Aussage bereiten Betr. erfolgen soll. Das Unterlassen der rechtzeitig und begründet beantragten Entbindung des Betr. von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung durch das AG war somit rechtsfehlerhaft und sperrte deshalb die Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG mit der Folge, dass das dennoch ergangene Verwerfungsurt. ebenfalls rechtsfehlerhaft ist.
Die rechtsfehlerhafte Verwerfung des Einspruchs des Betr. nach § 74 Abs. 2 OWiG stellt nicht nur einen Verstoß gegen einfaches Verfahrensrecht, sondern wegen der dadurch unterbliebenen Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Betr. in der Sache selbst (hier: Bestreiten der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung unter Behauptung eines Messfehlers sowie Beantragung der Erhebung von Sachverständigenbeweis dazu) auch eine Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Grundrechts auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG dar. … .“
Mitgeteilt von RA JR Hans-Jürgen Gebhardt, Homburg