VVG § 81 Abs. 2
Leitsatz
1. Lässt ein VN bei eingeschalteter Herdplatte Fett zum Frittieren auf der Ceranplatte seines Herdes stehen und verlässt das Haus, so ist wegen grob fahrlässiger Verursachung des dadurch entstehenden Brandes lediglich eine Entschädigung von 50 % geschuldet.
2. Raumspezifisch geplante und gefertigte Einbauküchen fallen unter den Versicherungsschutz.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Dortmund, Urt. v. 20.10.2011 – 2 O 101/11
Sachverhalt
Die Kl. unterhalten bei der Bekl. eine Wohngebäudeversicherung unter Geltung der VGB 02 für ihr Wohnhaus I-Kamp … in C. Am 8.11.2010 erhitzte die Kl. zu 2.) auf der Herdplatte eines Ceranfeldes der Einbauküche Fett in einem Topf, um darin Pommes frittes zu frittieren. Nach Einschalten der Herdplatte verließ sie das Haus, um ihre ältere Tochter aus der Schule abzuholen. Die jüngere Tochter blieb allein schlafend im Obergeschoss des Hauses zurück. Die Kl. zu 2.) fuhr zunächst zu einer nahe gelegenen Bäckerei. Dort fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte, ihrer Nachbarin einen Hausschlüssel zu geben, um ggf. nach der kleinen Tochter schauen zu können. Als sie zum Wohnhaus zurückkamen, bemerkte sie schon Feuer und Rauch im Wohnhaus. Gemeinsam mit der Nachbarin zog sie den brennenden Topf vom Herd und holte die kleine Tochter aus dem Bett. Beim Eintreffen von Feuerwehr und Polizei war der Brand bereits vollständig gelöscht. Die Kl. machen die Neuwertentschädigung für die Küche sowie den Rest des Gebäudeschadens geltend.
2 Aus den Gründen:
"Den Kl. steht aus den zwischen den Parteien bestehenden Wohngebäudeversicherungsvertrag aus Anlass des Brandereignisses v. 8.11.2010 wegen des Gebäudeschadens kein weiterer Anspruch auf Versicherungsleistungen zu, da die Bekl. wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles gem. § 81 VVG berechtigt war, ihre Leistung um jedenfalls 50 % zu kürzen. Lediglich hinsichtlich der Einbauküche steht den Kl. noch ein Zahlungsanspruch zu, da die Küche entgegen der Auffassung der Bekl. unter den Versicherungsschutz der bestehenden Wohngebäudeversicherung fällt."
1. Die Bekl. war berechtigt, gem. § 81 Abs. 2 VVG ihre Leistung, zu der sie aus Anlass des Brandereignisses v. 8.11.2010 grds. verpflichtet war, in einem der Schwere des Verschuldens der Kl. zu 2.) entsprechendem Verhältnis zu kürzen, da die Kl. zu 2.) den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat.
a) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus …
b) Daran gemessen liegt sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich der Herbeiführung des Versicherungsfalles vor. Denn das Erhitzen von Fett gehört wegen dessen Entflammbarkeit zu den besonders gefährlichen Tätigkeiten im Haushalt. Wird dieser Vorgang unbeobachtet und ohne Kontroll- und Zugriffsmöglichkeit gelassen, liegt in objektiver Hinsicht eine derart gravierende Pflichtverletzung vor, dass von einem besonders schweren Pflichtenverstoß gesprochen werden kann. Auch in subjektiver Hinsicht hat die Kl. zu 2.) in nicht entschuldbarer Art und Weise gehandelt, als sie das Haus verlassen und das sich erhitzende Fett ohne Zugriffsmöglichkeit gelassen hat. Sie war, wie sie bei ihrer Anhörung erklärt hat, in der Zubereitung von Speisen und insb. dem Erhitzen von Fett nicht unerfahren. Ihr war deshalb bekannt, dass das Fett einen Siedepunkt erreichen konnte. Es musste ihr einleuchten, dass sie den Erhitzungsvorgang nicht unbeobachtet lassen durfte und dass es erst Recht in außergewöhnlichem Maße leichtsinnig war, das Haus zu verlassen, um die ältere Tochter von der Schule abzuholen, ohne zuvor den Erhitzungsvorgang des Fettes zu unterbrechen. Mit ihrem leichtsinnigen Verhalten hat die Kl. zu 2.) die gebotene Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet gelassen, was ihr im gegebenen Fall unbedingt hätte einleuchten müssen. Anders als in dem Sachverhalt, der der oben genannten Entscheidung des BGH zugrunde lag, liegt kein Augenblicksversagen der Kl. zu 2.) vor und aus dem Sachverhalt ergeben sich keine Anhaltspunkte, die das Verhalten der Kl. in subjektiver Hinsicht in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten, um den Vorwurf der subjektiv groben Fahrlässigkeit abzumildern.
2. Die Bekl. war berechtigt, ihre Leistung gem. § 81 Abs. 2 VVG um jedenfalls 50 % zu kürzen. § 81 VVG findet Anwendung, weil sich der Versicherungsfall nach dem 31.12.2008 ereignet hat, so dass Artikel 1 Abs. 2 EGVVG keine Anwendung findet. Der Leistungskürzungsbefugnis der Bekl. steht § 28 Nr. 2 VGB 2002 nicht entgegen. Diese Vorschrift sieht vor, dass bei grob fahrlässig herbeigeführtem Schaden überhaupt kein Versicherungsschutz besteht. Diese dem VVG 2008 nicht angepasste Bedingungsregelung ist unwirksam, was für die Bekl. jedoch unschädlich ist, weil an die Stelle der unwirksamen Regelung die gesetzliche Regelung des § 81 Abs. 2 VVG tritt. Diese durch das VVG v. 23.11.2007 eingeführte Bestimmung besagt, dass der...