"Die Kl. kann von der Bekl. nicht Zahlung von 22.290,15 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs N Q verlangen."
1. Der Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB.
Die Bekl. hat die Kaufpreiszahlung nicht ohne Rechtsgrund erlangt.
Der Kaufvertrag als Rechtsgrund für den Erhalt des Kaufpreises ist nicht gem. den §§ 123, 142 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. Die Kl. hat ihre kaufvertragliche Willenserklärung nicht wirksam angefochten. Sie ist bei Abschluss des Kaufs nicht arglistig über den Zustand des später an sie übergebenen Fahrzeugs getäuscht worden. Zu diesem Zeitpunkt war nichts von einem Transportschaden bekannt; möglicherweise war er noch nicht einmal vorhanden. Als die Kl. am 18.2.2009 die Neufahrzeugbestellung aufgab, stand noch nicht fest, welches konkrete Fahrzeug an sie übergeben werden würde. Das Fahrzeug, welches sie später erhielt, war noch nicht an die Bekl. ausgeliefert worden.
2. Der Zahlungsanspruch lässt sich auch nicht auf den von der Kl. erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag stützen. Die Voraussetzungen für eine Rückabwicklung des Vertrags gem. den §§ 346, 323, 437 Nr. 2, 434 BGB liegen nicht vor.
Dabei kann offen bleiben, ob das Fahrzeug bei Übergabe einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB aufwies (zu a); es fehlte jedenfalls an der gem. § 323 Abs. 1 BGB erforderlichen Nacherfüllungsaufforderung mit Fristsetzung, die auch nicht entbehrlich war (zu b).
a) Das Fahrzeug ist nur dann i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB mängelbehaftet, wenn die Behebung des Transportschadens nicht fachgerecht in Werksqualität ausführt worden ist.
aa) Allein die Tatsache, dass es beim Transport beschädigt worden war, begründet noch keinen Sachmangel.
(1) Es handelte sich nicht um eine Unfallbeschädigung, die sowohl bei einem Neu- wie bei einem Gebrauchtfahrzeug auch bei fachgerechter Reparatur eine Abweichung von der üblichen, vom Käufer berechtigterweise zu erwartenden Beschaffenheit darstellt und deshalb nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB einen Sachmangel begründet (vgl. BGH, Versäumnisurt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53, 54). Von den mangelbegründenden – offenbarungspflichtigen – Unfallschäden sind Bagatellschäden abzugrenzen, worunter insb. geringfügige Lackschäden fallen.
Hier lässt sich nicht feststellen, dass die beim Transport entstandene Beschädigung über den von der Bekl. beschriebenen kleinen Lackkratzer im Bereich der hinteren linken Tür hinausging. Der Sachverständige S hat die Behauptung der Kl., über die Lackierarbeiten hinaus seien Spachtelarbeiten ausgeführt worden, nicht bestätigt. Dem ist die Kl. nicht entgegengetreten.
(2) Das Fahrzeug hat durch die reparierten Lackschäden als solche auch nicht die Eigenschaft der Fabrikneuheit verloren, was andernfalls die Mangelhaftigkeit begründete.
Nach der Rspr. gehört die Fabrikneuheit zu der nach § 434 Abs. 1 BGB geschuldeten Beschaffenheit eines Neuwagens (BGH, Urt. v. 18.6.1980, VIII ZR 185/79, NJW 1980, 2127 f.; BGH, Urt. v. 15.10.2003, VIII ZR 227/02; NJW 2004, 160; s. auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl. 2009, Rn 240, 273 ff.). Danach ist ein aus neuen Materialien hergestelltes und – abgesehen von der Überführung – unbenutztes Fahrzeug “fabrikneu', wenn und solange das Modell dieses Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist, zwischen Herstellung und Kaufabschluss nicht mehr als 12 Monate liegen und wenn nach seiner Herstellung keine erheblichen Beschädigungen eingetreten sind, auch wenn sie vor Auslieferung an den Käufer nachgebessert wurden.
“Fabrikneu' bedeutet dagegen nicht fehlerfrei (BGH NJW 1980, 2127, 2128).
Während ein als Neuwagen verkaufter Pkw, der nach Verlassen des Herstellerwerks nicht ganz unerhebliche Lackschäden erlitten hat, nicht mehr “fabrikneu' ist, auch wenn die Schäden vor Übergabe durch Nachlackierung ausgebessert worden sind (BGH a.a.O.), gilt anderes bei geringfügigen Lackschäden, soweit sie fachgerecht beseitigt wurden (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.4.1998 – 32 U 159/97, NJW-RR 1998, 1212; OLG München, Urt. v. 25.3.1998 – 30 U 598/97, NJW-RR 1998, 1210).
Aus der Entscheidung des OLG Oldenburg v. 18.10.2000 (2 U 163/00, BeckRS 2000 3013760) ergibt sich nichts anderes. Dort ging es nicht um ein Neu-, sondern um ein – geringfügig genutztes – Gebrauchtfahrzeug, welches einen nicht sachgerecht reparierten Lackschaden aufwies, der als offenbarungspflichtiger Mangel eingeordnet wurde.
Soweit das LG Gießen in der klägerseits zitierten Entscheidung v. 11.11.2004 (4 O 269/04, NZV 2005, 310) aus dem zuvor zitierten Urt. des OLG Oldenburg den Schluss zieht, dass Lackschäden, die einen Beseitigungsaufwand von 640 DM bzw. 330 EUR verursacht hatten, auch bei fachgerechter Instandsetzung die Grenze zur fehlenden Fabrikneuheit überschreiten, ist dem nicht zu folgen. Für die Frage, ob durch eine Fahrzeugbeschädigung vor Auslieferung die Eigenschaft der Fabrikneuheit verloren geht, kommt es auf die...