BGB § 434
Leitsatz
1. Geringfügige Lackschäden, die ein Neufahrzeug bei einem Transport davon getragen hat, begründen nicht die Annahme eines Sachmangels.
2. Ein als Neuwagen verkaufter Pkw, der nach Verlassen des Herstellerwerkes nicht ganz unerhebliche Lackschäden erlitten hat, ist auch dann nicht mehr fabrikneu, wenn die Schäden vor Übergabe durch Nachlackierung ausgebessert worden sind. Etwas anders gilt bei geringfügigen Lackschäden, die fachgerecht beseitigt worden sind.
3. Eine Nacherfüllungsaufforderung mit Fristsetzung ist dann entbehrlich, wenn der Verkäufer dem Käufer bei dem Abschluss des Kaufvertrages den Mangel arglistig verschwiegen hat.
OLG Hamm, Urt. v. 17.11.2011 – I-28 U 109/11
Sachverhalt
Die Kl. hat die Rückabwicklung eines Neuwagenkaufvertrages verfolgt. Die Kl. hatte im Februar 2009 ein Neufahrzeug bestellt, das der Kl. Ende Juni 2009 übergeben wurde. Die Bekl. hatte einen Transportschaden auf der linken Seite des Fahrzeuges behoben und hierüber die Kl. nicht informiert. Die Kl. wurde im Dezember 2009 auf eine erhöhte Lackschichtdicke der linksseitigen Tür hingewiesen. Die Kl. lehnte eine ihr von der beklagten Verkäuferin angebotene Ausgleichszahlung von 1.000 EUR ab. Die Kl. focht schließlich den Kaufvertrag wegen einer nach ihrer Ansicht vorliegenden arglistigen Täuschung an und erklärte gleichzeitig den Rücktritt vom Vertrag. Die Kl. hat behauptet, vor der Übergabe des Fahrzeuges sei an beiden linksseitigen Fahrzeugtüren großflächig gespachtelt und nachlackiert worden. Der Geschäftsführer der Bekl. habe ihr zunächst angeboten, den Pkw zurückzunehmen, wenn sie mit der angebotenen Zahlung von 1.000 EUR "nicht klar käme". Nachdem sie das Zahlungsangebot abgelehnt habe, habe der Geschäftsführer der Bekl. erklärt, die Sache sei für ihn erledigt. Die Kl. hat die Rückgewähr des Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des gekauften Pkw und die Feststellung des Annahmeverzuges der Bekl. verfolgt. Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages hat die Bekl. behauptet, der Transportschaden habe in einem kleinen fachgerecht beseitigten Kratzer an der linken hinteren Tür bestanden. Die Tür sei auch nachlackiert und zur optischen Angleichung die vordere Tür beilackiert worden. Der Geschäftsführer der Bekl. habe die Rücknahme des Pkw nicht zugesagt, sondern lediglich aus Kulanz die Zahlung von 1.000 EUR im Dezember 2009 erneut angeboten. Die Bekl. hat weiterhin gerügt, dass ihr eine Frist zur Nacherfüllung nicht gesetzt worden sei und die in Abzug gebrachte Nutzungsentschädigung sei zu gering bemessen. Das LG hat unter Bejahung einer durchgreifenden Anfechtung des Kaufvertrages der Klage unter Abzug einer Nutzungsentschädigung von 2.339,85 EUR im Wesentlichen stattgegeben. Die Berufung der Bekl. führte zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Klage.
2 Aus den Gründen:
"Die Kl. kann von der Bekl. nicht Zahlung von 22.290,15 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs N Q verlangen."
1. Der Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung, § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB.
Die Bekl. hat die Kaufpreiszahlung nicht ohne Rechtsgrund erlangt.
Der Kaufvertrag als Rechtsgrund für den Erhalt des Kaufpreises ist nicht gem. den §§ 123, 142 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. Die Kl. hat ihre kaufvertragliche Willenserklärung nicht wirksam angefochten. Sie ist bei Abschluss des Kaufs nicht arglistig über den Zustand des später an sie übergebenen Fahrzeugs getäuscht worden. Zu diesem Zeitpunkt war nichts von einem Transportschaden bekannt; möglicherweise war er noch nicht einmal vorhanden. Als die Kl. am 18.2.2009 die Neufahrzeugbestellung aufgab, stand noch nicht fest, welches konkrete Fahrzeug an sie übergeben werden würde. Das Fahrzeug, welches sie später erhielt, war noch nicht an die Bekl. ausgeliefert worden.
2. Der Zahlungsanspruch lässt sich auch nicht auf den von der Kl. erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag stützen. Die Voraussetzungen für eine Rückabwicklung des Vertrags gem. den §§ 346, 323, 437 Nr. 2, 434 BGB liegen nicht vor.
Dabei kann offen bleiben, ob das Fahrzeug bei Übergabe einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB aufwies (zu a); es fehlte jedenfalls an der gem. § 323 Abs. 1 BGB erforderlichen Nacherfüllungsaufforderung mit Fristsetzung, die auch nicht entbehrlich war (zu b).
a) Das Fahrzeug ist nur dann i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB mängelbehaftet, wenn die Behebung des Transportschadens nicht fachgerecht in Werksqualität ausführt worden ist.
aa) Allein die Tatsache, dass es beim Transport beschädigt worden war, begründet noch keinen Sachmangel.
(1) Es handelte sich nicht um eine Unfallbeschädigung, die sowohl bei einem Neu- wie bei einem Gebrauchtfahrzeug auch bei fachgerechter Reparatur eine Abweichung von der üblichen, vom Käufer berechtigterweise zu erwartenden Beschaffenheit darstellt und deshalb nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB einen Sachmangel begründet (vgl. BGH, Versäumnisurt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53, 54). Von ...