"… . I. Die ohne weiteres nach § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte, keiner Zulassung bedürfende sowie frist- und formgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde erweist sich unbeschadet der knappen Ausführungen zur Rügerechtfertigung mit der den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 344 Abs.2 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG noch genügenden Verfahrensrüge zumindest vorläufig als erfolgreich, weil das AG – wie die GenStA in ihrer Antragsschrift zutreffend ausführt – den Begriff der “genügenden Entschuldigung' i.S.v. § 74 Abs. 2 OWiG verkannt und demgemäß das Fernbleiben des Betr. in der Hauptverhandlung zu Unrecht als nicht genügend entschuldigt angesehen hat."
1. Der Begriff der “genügenden Entschuldigung' darf nicht eng ausgelegt werden. Denn ähnlich wie § 329 Abs. 1 S. 1 StPO enthält auch § 74 Abs. 2 OWiG eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass ohne den Angekl. bzw. Betr. nicht verhandelt werden darf. Die Regelung birgt nicht nur die Gefahr eines sachlich unrichtigen Urt. in sich, sondern auch, dass dem Betr. das ihm nach Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verbürgte rechtliche Gehör entzogen wird. Deshalb ist bei der Prüfung der vorgebrachten oder vorliegenden Entschuldigungsgründe eine weite Auslegung zugunsten des Betr. geboten.
2. Eine Entschuldigung ist dann genügend, wenn die im Einzelfall abzuwägenden Belange des Betr. einerseits und seine öffentlich-rechtliche Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung andererseits den Entschuldigungsgrund als triftig erscheinen lassen, d.h. wenn dem Betr. unter den gegebenen Umständen ein Erscheinen billigerweise nicht zumutbar war und ihm infolgedessen wegen seines Fernbleibens auch nicht der Vorwurf schuldhafter Pflichtverletzung gemacht werden kann. Entscheidend ist dabei nicht, ob sich der Betr. genügend entschuldigt hat, sondern ob er (objektiv) genügend entschuldigt ist. Den Betr. trifft daher hinsichtlich des Entschuldigungsgrundes grds. keine Pflicht zur Glaubhaftmachung oder gar zu einem lückenlosen Nachweis; vielmehr muss das Gericht, wenn ein konkreter Hinweis auf einen Entschuldigungsgrund vorliegt, dem im Rahmen seiner Aufklärungspflicht nachgehen (st. Rspr., z.B. BGHSt 17, 391/396 f.; BGHR StPO § 329 Abs. 1 S. 1 Ladung 1; BayObLGSt 2001, 14/16; 1998, 79/81; BayObLG, Beschl. v. 19.10.2004 – 1 Ob OWi 442/04; OLG Stuttgart DAR 2004, 165/166; OLG Bamberg, Urt. v. 26.2.2008 – 3 Ss 118/07 = OLGSt StPO § 329 Nr. 29 = DAR 2008, 217 [Ls] sowie – jeweils zu § 74 Abs. 2 OWiG – OLG Bamberg wistra 2007, 79 f.; OLG Bamberg, Beschl. v. 14.1.2009 – 2 Ss OWi 1623/08 = NStZ-RR 2009, 150 = NZV 2009, 303 f.; OLG Braunschweig, Beschl. v. 25.3.2010 – 3 Ss (OWiZ) 37/10 [bei juris]; KG VRS 119, 125 ff. = DAR 2011, 146 f. und OLG Bamberg NZV 2011, 409 f., jeweils m.w.N.). Bescheinigungen, insb. ärztliche Atteste haben daher so lange als genügende Entschuldigung zu gelten, als nicht deren Unglaubwürdigkeit oder Unbrauchbarkeit feststeht, es sei denn, das Vorbringen ist aus der Luft gegriffen oder sonst ganz offensichtlich ungeeignet, das Ausbleiben zu entschuldigen (BayObLGSt 2001, 14/16). Bloße Zweifel an einer genügenden Entschuldigung dürfen nicht zu Lasten des Betr. gehen. Das Gericht ist in diesem Fall vielmehr gehalten, seinen Zweifeln – ggf. im Wege des Freibeweises (BayObLGSt 1998, 79/82) – nachzugehen.
3. Die Nachforschungsverpflichtung des Gerichts ist andererseits nicht grenzenlos. Ihre Auslösung setzt (wenigstens) voraus, dass der Betr. vor der Hauptverhandlung schlüssig einen Sachverhalt vorträgt oder vortragen lässt, der geeignet ist, sein Ausbleiben genügend zu entschuldigen, dem Gericht somit hinreichende Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung zur Kenntnis gebracht sind (KG VRS 108, 110 ff.); nur dann ist er auch nicht verpflichtet, die Richtigkeit seines Vorbringens glaubhaft zu machen und durch Vorlage von geeigneten Unterlagen zu belegen (OLG Bamberg OLGSt StPO § 329 Nr. 29 = DAR 2008, 217 [Ls]; BayObLGSt 1997, 145/147 f.; 1998, 79/81 f.). Eine andere Sicht wäre mit dem Gesetzeszweck, das Verfahren zu beschleunigen und den Betr. daran zu hindern, eine gerichtliche Entscheidung nach Gutdünken zu verzögern, indem er der Verhandlung fernbleibt, unvereinbar. In diesen Fällen muss das mit dem Beschleunigungsgebot konkurrierende Streben nach einer möglichst gerechten Sachentscheidung mit der Folge zurück treten, dass im Einzelfall auch ein möglicherweise sachlich unrichtiges Urt. in Kauf zu nehmen ist (BGHSt 23, 331/334 f.).
4. Nachdem der Betr. hier über seinen Verteidiger am Vortage der für den 21.7.2011 anberaumten Hauptverhandlung dem Gericht per Telefax-Schreiben eine unter dem 19.7.2011 ausgestellte ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Erstbescheinigung) für den Zeitraum vom 20.7.2011 bis “voraussichtlich [ … ] einschließlich 22.7.2011' übermittelte, wobei der Diagnoseschlüssel “A09.9' handschriftlich mit “Darmvirus' bzw. “Brechdurchfall' vom Betr. näher erläutert wurde, war das AG aufgrund der konkreten Hinweise auf einen berechtigten Entsc...