LugÜ 2007 Art. 9, 11
Leitsatz
Nach den Art. 9 und 11 LugÜ 2007 kann der Geschädigte einen nach dem anwendbaren nationalen Recht bestehenden Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer mit Sitz in einem ausländischen Staat im Geltungsbereich des LugÜ 2007 beim Gericht seines Wohnsitzes geltend machen.
BGH, Urt. v. 23.10.2012 – VI ZR 260/11
Sachverhalt
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Kl. aus einem Verkehrsunfall, der sich im August 2010 in der Schweiz ereignet hat. Die Kl. wohnt in Bonn, der Sitz der beklagten Haftpflichtversicherung befindet sich in Bern. Die von der Kl. beim AG Bonn erhobene Klage ist vom AG wegen fehlender internationaler Zuständigkeit abgewiesen worden. Das BG hat auf die Berufung der Kl. die Klage für zulässig erklärt. Die Revision der Bekl., die sich gegen die Annahme der internationalen Zuständigkeit wendet, hatten keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[6] “… 1. Zutreffend nimmt das BG an, dass im vorliegenden Rechtsstreit die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach den Vorschriften des Luganer Übereinkommens v. 30.10.2007 zu beurteilen ist. Dass dieses Übereinkommen für die Schweiz erst am 1.1.2011 in Kraft getreten ist, während die Klage bereits am 30.12.2010 zugestellt wurde, hält das BG mit Recht für unbeachtlich. Den zeitlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens legt Art. 63 Abs. 1 LugÜ 2007 – soweit hier maßgeblich – wie folgt fest:
“Die Vorschriften dieses Übereinkommens sind nur auf solche Klagen … anzuwenden, die erhoben … worden sind, nachdem dieses Übereinkommen im Ursprungsstaat … in Kraft getreten ist.'
[7] Das Abkommen ist in den EU-Staaten, also auch in Deutschland als Ursprungsstaat der Klage, am 1.1.2010, mithin vor Klageerhebung, in Kraft getreten. Dass, wie die Revision ausführt, aufgrund der unterschiedlichen Zeitpunkte des Inkrafttretens für die EU einerseits und die Schweiz andererseits eine unerwünschte “Diskordanz' droht, ist nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 63 Abs. 1 LugÜ 2007 hinzunehmen.
[8] 2. Mit Recht legt das BG auch Art. 9 und 11 LugÜ 2007 dahin aus, dass der Geschädigte einen nach dem anwendbaren nationalen Recht bestehenden Direktanspruch gegen den im Ausland sitzenden Haftpflichtversicherer auch beim Gericht seines Wohnsitzes klageweise geltend machen kann. Diese Vorschriften des Luganer Übereinkommens v. 30.10.2007 sind ebenso auszulegen wie die inhaltsgleichen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates v. 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: EuGVVO).
9 a) Die Art. 9 und 11 LugÜ 2007 lauten:
Artikel 9 LugÜ 2007
(1) Ein VR, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates hat, kann verklagt werden:
a) vor den Gerichten des Staates, in dem er seinen Wohnsitz hat,
b) in einem anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat bei Klagen des VN, des Versicherten oder des Begünstigten vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kl. seinen Wohnsitz hat, oder
c) …
(2) …
Artikel 11 LugÜ 2007
(1) Bei der Haftpflichtversicherung kann der VR auch vor das Gericht, bei dem die Klage des Geschädigten gegen den Versicherten anhängig ist, geladen werden, sofern dies nach dem Recht des angerufenen Gerichts zulässig ist.
(2) Auf eine Klage, die der Geschädigte unmittelbar gegen den VR erhebt, sind die Artikel 8, 9 und 10 anzuwenden, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist.
(3) …
Die Art. 9 und 11 EuGVVO lauten:
Artikel 9 EuGVVO
(1) Ein VR, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann verklagt werden:
a) vor den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat,
b) in einem anderen Mitgliedstaat bei Klagen des VN, des Versicherten oder des Begünstigten vor dem Gericht des Ortes, an dem der Kl. seinen Wohnsitz hat, oder
c) …
(2) …
Artikel 11 EuGVVO
(1) Bei der Haftpflichtversicherung kann der VR auch vor das Gericht, bei dem die Klage des Geschädigten gegen den Versicherten anhängig ist, geladen werden, sofern dies nach dem Recht des angerufenen Gerichts zulässig ist.
(2) Auf eine Klage, die der Geschädigte unmittelbar gegen den VR erhebt, sind die Artikel 8, 9 und 10 anzuwenden, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist.
(3) …
[10] b) Der erkennende Senat hat mit Beschl. v. 26.9.2006 (VI ZR 200/05, VersR 2006, 1677 ff.) dem EuGH die Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gem. Art. 234 EGV zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Verweisung in Art. 11 Abs. 2 EuGVVO auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. b EuGVVO dahin zu verstehen ist, dass der Geschädigte vor dem Gericht des Ortes in einem Mitgliedstaat, an dem er seinen Wohnsitz hat, eine Klage unmittelbar gegen den VR erheben kann, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der VR seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat.
[11] Der EuGH hat im Urt. v. 13.12.2007 (Rechtssache C-463/06, VersR 2008, 111 Rn 21 ff.) die Vorlagefrage bejaht und dies wie folgt begründet:
[12] “Abschnitt 3 des Kapitels II der Verordnung Nr....