OWiG § 71 Abs. 1; StPO § 140 Abs. 2
Leitsatz
Die mit Eintragung weiterer Punkte verbundene Entziehung der Fahrerlaubnis im Verwaltungsverfahren nach § 4 StVG reicht nicht aus, um die Mitwirkung eines Verteidigers zu gebieten, auch wenn der Betr. dadurch Nachteile für seinen Betrieb und damit seine Berufsausübung zu erwarten hat. Dies gilt auch dann, wenn es sich im vorliegenden Fall um einen schwerwiegenden Nachteil handeln würde, nämlich eine drohende Betriebsaufgabe, da solch ein Nachteil nur mittelbar aus der Verurteilung folgt und damit in der Regel außer Betracht zu bleiben hat.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Stuttgart, Beschl. v. 13.12.2012 – 19 Qs 154/12 OWi
Sachverhalt
I. Die Stadt L setzte gegen den Betr. mit Bußgeldbescheid v. 2.7.2012 wegen einer am 26.4.2012 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit nach den §§ 37 Abs. 2, 49 StVO, §§ 24, 25 StVG, Nr. 132.3 BKat, § 4 Abs. 1 BKatV (Rotes Dauerlichtzeichen nicht befolgt) eine Geldbuße i.H.v. 200 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat fest.
Nach Einspruch des Betr. und Abgabe des Verfahrens bestimmte das AG L einen Termin zur Hauptverhandlung auf den 23.11.2012. Mit Schriftsatz v. 21.11.2012, der am gleichen Tag per Fax beim AG einging, beantragte der Betr., ihm seinen Verteidiger Rechtsanwalt K. als Pflichtverteidiger beizuordnen. Zur Begründung des Antrags wurde ausgeführt, dass eine Beiordnung wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage zu erfolgen habe. Sowohl aufgrund der möglichen Festsetzung eines Fahrverbots von einem Monat als auch wegen des Erreichens der 18 Punkte-Grenze (da bei Verurteilung weitere 4 Punkte eingetragen würden) und des damit verbundenen Verlusts der Fahrerlaubnis sei die Existenz des Betr., der selbstständiger Transportunternehmer sei, bedroht. Mit Beschl. v. 22.11.2012 lehnte das AG den Antrag des Betr. ab. Im Hauptverhandlungstermin am 23.11.2012 erklärte der Betr., dass es sich bei dem auf dem Lichtbild der Rotlichtüberwachungsanlage abgebildeten Fahrer nicht um ihn, sondern um seinen in Bulgarien lebenden Bruder handle. Daraufhin fasste das AG den Beschluss, ein Sachverständigengutachten einzuholen zu der Frage, ob es sich bei der auf dem Lichtbild der Überwachungsanlage abgebildeten Person um den Betr. handelt. Mit Faxschreiben v. 28.11.2012 hat der Betr. über seine Verteidiger unter Nennung der bereits bei der Antragstellung vorgetragenen Gründe Beschwerde gegen den Beschluss des AG L v. 22.11.2012 eingelegt. Ergänzend hat er vorgetragen, dass er als selbstständiger Frachtführer bzw. Spediteur lediglich aushilfsweise Fahrer einstellen könne. Außerdem läge aufgrund des einzuholenden anthropologischen Gutachtens eine schwierige Sachlage vor, weshalb er nicht in der Lage sei, sich selbst zu verteidigen. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
2 Aus den Gründen:
II. Die Beschwerde ist gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 304 Abs. 1 StPO zulässig; insb. handelt es sich bei der Ablehnung der Bestellung als Verteidiger nicht um eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung i.S.v. § 305 S. 1 StPO (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, 2012, § 141 Rn 10a). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da das AG den Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers mangels der Voraussetzungen der §§ 46 Abs. 1 OWiG, 140 Abs. 2 StPO zu Recht abgelehnt hat:
1. Wegen der Schwere der Tat erscheint die Mitwirkung eines Verteidigers nicht geboten.
a. Die Höhe der im vorliegenden Fall zu erwartenden Geldbuße spricht nicht für eine schwere Tat. Es handelt sich lediglich um eine Verkehrsordnungswidrigkeit, die noch dazu mit einer vergleichsweise geringen Geldbuße i.H.v. 200 EUR (Regelgeldbuße gem. BKat-Nr. 132.3) geahndet wurde, wobei der Sanktionsrahmen gem. § 24 Abs. 2 StVG bis zu 2.000 EUR umfasst.
b. Auch die Eintragung weiterer Punkte im Punktesystem und die damit verbundene Entziehung der Fahrerlaubnis im Verwaltungsverfahren nach § 4 StVG reicht nach Ansicht der Kammer nicht aus, um die Mitwirkung eines Verteidigers zu gebieten, auch wenn der Betr. dadurch Nachteile für seinen Frachtbetrieb und damit seine Berufsausübung zu erwarten hat. Dies gilt auch dann, wenn es sich im vorliegenden Fall um einen schwerwiegenden Nachteil handeln würde, nämlich eine drohende Betriebsaufgabe, da solch ein Nachteil nur mittelbar aus der Verurteilung folgt und damit in der Regel außer Betracht zu bleiben hat (vgl. Göhler/Seitz, OWiG, 16. Auflage, 2012, § 60 Rn 25; Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Auflage, 2006, § 60 Rn 31).
Der Betr. ist selbstständiger Frachtführer und Spediteur, der überwiegend selbst fährt und teilweise Fahrer als Aushilfen einstellt. Die Existenz des Betriebs ist jedoch, entgegen dem Vortrag des Betr., durch den Verlust seiner Fahrerlaubnis nicht zwangsläufig gefährdet, denn der Betr. kann sich behelfen indem er für die Zeit, in der er nicht selbst fahren kann, weitere Fahrer beschäftigt.
Doch auch wenn man vorliegend von einer Bedrohung der Existenz des Betriebs und damit einem schwerwiegenden Nachteil für den Betr. ausginge, so würde dies nicht zur Annahme einer notwendigen Verteid...