Viel Aufmerksamkeit gefunden hat inzwischen das Urteil vom Juni 2011 – eines der ersten Senatsurteile zum neuen Versicherungsvertragsrecht. Der Kläger machte Ansprüche aus einer Fahrzeugvollversicherung für seinen Pkw geltend, der bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden war. Er war morgens in einer leichten Linkskurve nach links von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Laternenpfahl geprallt. Eine Blutprobe – eine Stunde später – ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,70 Promille, was dazu führte, dass der Kläger strafrechtlich wegen Vollrauschs verurteilt wurde. Die beklagte Versicherung nahm er auf Zahlung der Reparaturkosten in Anspruch. Die Instanzgerichte haben die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hatte ausgeführt, dass der Kläger den Versicherungsfall gemäß § 81 Abs. 2 VVG grob fahrlässig herbeigeführt habe und den ihm nach § 827 BGB obliegenden Beweis, dass dies im schuldunfähigen Zustand geschehen sei, nicht geführt habe. Bei der vorzunehmenden Quotenbildung nach § 81 Abs. 2 VVG sei eine Kürzung um 100 % zulässig.
Das Urteil hielt rechtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand, ist gleichwohl aber besonders interessant. Fehlerhaft war es, dass das Berufungsgericht eine umfassende Würdigung der Umstände unterlassen hatte, die die Behauptung des Klägers hätten stützen können, dass er den Pkw in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit geführt habe. Selbst wenn es dem Versicherungsnehmer aber gelingt, diesen Nachweis zu führen, genügt dies noch nicht an Tatsachenfeststellungen. Da die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 81 Abs. 2 VVG lediglich an einen Erfolg – nämlich die Herbeiführung des Versicherungsfalls –, nicht dagegen an ein bestimmtes Verhalten (Führen des Kfz im alkoholisierten Zustand) anknüpft, kann auf ein zeitlich vorangehendes Verhalten abgestellt werden, durch das der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt wird. Maßgeblich ist, ob und welche Vorkehrungen ein Versicherungsnehmer, der mit einem Pkw unterwegs ist und beabsichtigt, Alkohol zu trinken, getroffen hat, um zu verhindern, dass er eine Fahrt in alkoholisiertem Zustand antritt oder fortsetzt. D.h., selbst wenn feststeht, dass das Fahrzeug in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand geführt wurde, bedarf es außerdem Feststellungen dazu, ob und welche Vorkehrungen zuvor getroffen wurden, um dies auszuschließen.
Nicht zu beanstanden war indes die Ansicht des Berufungsgerichts, dass im Falle der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls auf den Umfang des Anspruchs § 81 Abs. 2 VVG Anwendung findet. Danach ist der Versicherer bei grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Anders als die Vorgängerregelung des § 61 VVG a.F., nach welcher der Versicherer sowohl bei vorsätzlicher als auch bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls vollständig von der Leistung befreit ist, differenziert § 81 VVG zwischen vorsätzlichem und grob fahrlässigem Verhalten. Bei vorsätzlichem Verhalten bleibt es bei vollständiger Leistungsfreiheit des Versicherers. Bei grober Fahrlässigkeit gibt es das "Alles-oder-Nichts-Prinzip" hingegen nicht mehr, sondern es gibt jetzt eine Quotenregelung. In Rechtsprechung und Literatur war es seit Einführung dieser Neuerung sehr umstritten, ob der Versicherer im Rahmen der Quotierung auch berechtigt ist, eine Leistungskürzung auf Null vorzunehmen. Teilweise wurde insoweit die Ansicht vertreten, dass schon begrifflich ein gewisser Restanspruch des Versicherungsnehmers verbleiben müsse. Nach überwiegender Ansicht, die der Senat teilt, steht § 81 Abs. 2 VVG einer vollständigen Leistungskürzung im Einzelfall nicht entgegen – etwa bei Herbeiführung des Versicherungsfalls im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit. Die gegenteilige Auffassung lässt sich weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte entnehmen. Die Systematik des Gesetzes spricht sogar dafür, dass der Gesetzgeber sich der Problematik bewusst war. Denn der Entwurf zu der Verletzung vertraglicher Obliegenheiten in § 28 Abs. 2 S. 1 VVG enthielt zunächst die Regelung, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden Obliegenheit leistungsfrei nur ist, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Anschluss an Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren hat der Gesetzgeber das Wort "nur" dann gestrichen (BT-Drucks 16/5862, 99), was den Schluss zulässt, dass der Gesetzgeber auch bei § 81 Abs. 2 VVG eine vollständige Leistungskürzung bei grober Fahrlässigkeit nicht ausschließen wollte.