BGB § 434 Abs. 1 § 474 § 477 § 476 a.F.
Leitsatz
1) Bei der Bestimmung der Beschaffenheit eines Kfz hinsichtlich des Ölverbrauchs, die objektiv zu erfolgen hat, sind Kfz anderer Hersteller heranzuziehen, die denselben Qualitätsmaßstab und denselben Stand der Technik aufweisen.
2) Liegt der Ölverbrauch eines VW Golf bei 0,46 l/1.000 km, liegt eine ungünstige Abweichung von der gewöhnlichen Beschaffenheit vor.
3) Der Nachlieferungsanspruch beim Kauf eines Neufahrzeugs, der einen Gattungskauf darstellt, geht wegen Unmöglichkeit unter, wenn die gesamte Gattung nicht mehr hergestellt wird oder auf dem Markt nicht mehr verfügbar ist.
4) Bei einer Ersatzlieferung nach einem Verbrauchsgüterkauf besteht kein Anspruch des Verkäufers gegen den Käufer auf Wertersatz für Nutzungen.
5) Der Verkkäufer hat dem Käufer die zum Zwecke der Nacherfüllung angefallenen Aufwendungen, insb. zum Auffinden der Ursachen des Mangels, zu ersetzen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Schweinfurt, Urt. v. 28.9.2018 – 21 O 737/16
Sachverhalt
Nach dem Kauf eines Kfz machte der Käufer wegen von ihm angenommenem überhöhten Ölverbrauchs die Neulieferung eines Fahrzeuges gleicher Bau-Klasse, hilfsweise des Facelifting-Modells geltend. Das Gutachten bestätigte den überhöhten Ölverbrauch, so dass der Verkäufer verurteilt wurde.
2 Aus den Gründen:
"… Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Neulieferung eines mangelfreien VW Golf aus den §§ 439 Abs. 1, 437 Nr. 1, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 433 Abs. 1 BGB."
1. Das von dem Kl. bei der Bekl. mit Kaufvertrag vom 28.1.2015 gekaufte und am 24.4.2015 gelieferte Fahrzeug weist einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auf.
Da die Parteien keine Vereinbarung über die Beschaffenheit der Sache oder deren vertragliche Verwendung getroffen haben, richtet sich das Vorliegen eines Sachmangels nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Demnach ist eine Sache frei von Mängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
Unbeachtlich müssen hierbei jedoch die Herstellerangaben im Serviceheft, die einen Toleranzwert von bis zu 0,5 Liter Öl auf 1.000 Kilometer angeben, bleiben. Der Vergleichsmaßstab über die übliche Beschaffenheit ist bei § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB rein objektiv zu bestimmen. Hierbei sind insb. auch Sachen anderer Hersteller einzubeziehen, die denselben Qualitätsmaßstab und denselben Stand der Technik aufweisen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2016,178; BGH NJW 2009, 2056).
Der Ölverbrauch des streitgegenständlichen Fahrzeugs VW Golf beträgt aufgrund der durchgeführten Ölmessung im März 2016 bei einem Kilometerstand von 29.378 unstreitig 0,46 Liter auf 1.000 Kilometern.
Wie der Sachverständige G in seinem schriftlichen Gutachten widerspruchsfrei, plausibel und für das Gericht nachvollziehbar ausgeführt hat, entspricht ein Ölverbrauch von 0,46 I/1.000 Kilometer nicht dem, was bei dem Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs VW Golf TDI im Vergleich zu Sachen gleicher Art und Güte zu erwarten wäre.
Der Sachverständige führt hierzu aus, dass ein Ölverbrauch von 0,46 Liter auf 1.000 Kilometer dazu führe, dass zwischen zwei Ölwechselintervallen (30.000 Kilometer) insgesamt 13,8 Liter Öl nachgefüllt werden müssten. Vergleichbare Fahrzeuge anderer Hersteller in vergleichbarer Wagenklasse und Alter wiesen demgegenüber einen deutlich geringeren Ölverbrauch auf. So sei erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass zwischen zwei Ölwechselintervallen nicht mehr als 1 Liter Öl, oftmals sogar kein Öl nachgefüllt werde müsse. Ein Ölverbrauch von 1–3 Litern auf 30.000 Kilometern sei aus Sicht des Sachverständigen noch zu tolerieren. Ein erhöhter Ölverbrauch sei zudem nur in der Einlaufphase bis 5.000 Kilometern nachvollziehbar, da sich danach ein konstanter niedriger Wert einstelle, der im Laufe der Nutzung auch wieder ansteige. Die Ölmessung wurde jedoch vorliegend bei einem Kilometerstand von 29.378 durchgeführt.
2. Der Sachmangel lag auch bereits zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs vor, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Für den Kl. greift die Vermutungsregelung des § 477 BGB bzw. § 476 BGB a.F.
a) Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag handelt es sich unstreitig um einen Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 BGB. Demnach wird für den Käufer vermutet, dass ein gegebener Sachmangel schon bei Gefahrenübergang vorlag, wenn sich der Mangel in den ersten sechs Monaten seit Gefahrenübergang gezeigt hat.
"Sich zeigen" bedeutet, dass der Sachmangel innerhalb der sechs Monate bemerkt oder festgestellt wird (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl. 2018, § 477 Rn 7). Irrelevant ist demgegenüber, ob Mängelrechte innerhalb der sechs Monate gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht werden.
So ist der Fall hier. Der Kl. hat unstreitig am 21.8.2015 bei dem am 24.04.2015 übergebenen Pkw VW Golf bei einem Kilometerstand von ca. 11.500 bei der Bekl. Öl nachfüllen lassen, da die Ölleuchte des Fahrzeugs aufleuchtete und einen hohen Ölverbrauch moniert. Der hohe Ölverbrauch...